vollständige Diplomarbeit - Socialnet
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Kapitel Fünf<br />
Begutachtungspraxis mit (potentiell) ‚traumatisierten’ Flüchtlingen<br />
Zu Beginn dieses Kapitels wird nachverfolgt, wie es dazu gekommen ist, dass PraktikerInnen<br />
der psychosozialen Arbeit Begutachtungen bei Flüchtlingen durchführen. Da sich die<br />
Fragestellungen in der Begutachtung ausdifferenziert haben, werden diese Fragestellungen für<br />
die Begutachtung von bosnischen Flüchtlingen expliziert. Nachfolgend werden jene<br />
Begutachtungskriterien und Qualitätsstandards vorgestellt, auf die in der Begutachtungspraxis<br />
bei Flüchtlingen Bezug genommen wird. Eingegangen wird auf die beiden fachlich breit<br />
anerkannten Standards der Begutachtung von Flüchtlingen in aufenthaltsrechtlichen<br />
Verfahren, die von der BAFF herausgegebenen „Richtlinien für die psychologische und<br />
medizinische Untersuchung von traumatisierten Flüchtlingen und Folteropfern“ (2001) sowie<br />
die von der Projektgruppe SBPM 92 (2003) erarbeiteten Standards. Auch wenn ein<br />
aufenthaltsrechtliches Anerkennungsverfahren nichts mit einem Strafverfahren gemein hat<br />
und somit auch keine forensische Begutachtung von RechtspsychologInnen praktiziert wird,<br />
ist dennoch die Frage der Glaubhaftigkeit von Aussagen der Flüchtlinge relevant. Die<br />
Kontroverse um die Prüfung der Glaubhaftigkeit innerhalb der Begutachtung wird vorgestellt.<br />
Am Ende diesen Kapitels wird eine Bewertung bzw. Problematisierung der aktuellen<br />
Begutachtungspraxis bei Flüchtlingen vorgenommen.<br />
5.1. Genese der Begutachtungspraxis in der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen<br />
Mit der Intention, Flüchtlinge im aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu unterstützen, begannen<br />
Mitte der 90er Jahre zunehmend mehr PsychologInnen bzw. MedizinerInnen, für die sich bei<br />
ihnen in Behandlung befindenden KlientInnen gutachterliche Stellungnahmen zu verfassen.<br />
Darin wurde Stellung zu der psychischen Verfassung ihrer KlientInnen aus klinisch-<br />
fachlicher Sicht genommen. Seit dieser Zeit kamen zunehmend mehr diesbezügliche<br />
„Anfragen von Behörden, Gerichten und RechtsanwältInnen sowie von Betroffenen selbst“<br />
(Aycha 2001a, S. 3) auf die PraktikerInnen zu. Die Fragestellungen an die PraktikerInnen<br />
umfasste insbesondere folgende Bereiche: „Einschätzung einer Traumatisierung durch<br />
Gewalt, diagnostische Einordnung der psychischen und psychosomatischen Folgen, Migration<br />
und ihre Auswirkungen auf das psychosomatische Befinden, Folgen des Asylverfahrens und<br />
Asylbewerberleistungsgesetze auf die psychosoziale Befindlichkeit, Einschätzung der akuten<br />
Suizidalität abschiebegefährdeter KlientInnen“ (Aycha 2001b, S. 89).<br />
92 Projektgruppe Standards zur Begutachtung psychotraumatisierter Menschen.<br />
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