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Die Kritik Summerfields wird den Problematisierungen von PTSD in Rahmen der<br />
psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen und Folteropfern in der BRD vorangestellt, damit die<br />
nun folgenden Problematisierungen der PraktikerInnen der psychosozialen Arbeit mit<br />
Flüchtlingen mit einer kritischen Distanz nachvollzogen werden können.<br />
4.4. Problematisierungen von PTSD und ‚Traumaarbeit’ im Kontext der psychosozialen<br />
Arbeit mit Flüchtlingen<br />
In der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen ist das Traumakonzept nicht immer die zentrale<br />
Bezugsgröße gewesen. Bedeutender waren lange Zeit Begriffe wie Folteropfer,<br />
Folterüberlebende, Flüchtlinge und politisch Verfolgte, Opfer organisierter Gewalt etc.,<br />
anstatt ‚Traumatisierte’ für das Klientel der Zentren 84 . Die MitarbeiterInnen der<br />
Behandlungszentren 85 beabsichtigen psychotherapeutisch zu arbeiten, aber die<br />
Gesellschaftlichkeit der Leiden ihres Klientels dabei nicht aus dem Blickfeld zu verlieren<br />
(siehe Bittenbinder 2000a; Becker 1997; Becker 2002a; Becker 2002b; Koch & Winter 2001;<br />
Heckl 2003). Dabei war lange „Trauma [...] ein Wort, das man benutzte, um die<br />
stattfindenden Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen“ (Becker 2002b). So sehen die in<br />
den Behandlungszentren arbeitenden PraktikerInnen die „Offenlegung von<br />
Menschenrechtsverletzungen, internationale Ächtung von Staaten, die Folter anwenden,<br />
kontinuierliche Sensibilisierung für das breite Spektrum der Menschenrechtsfrage“ (Mehari<br />
2001, S. 16) als Teil ihrer Aufgaben in der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen. Eine<br />
Abkehr von gesellschaftlichen Fragen, welche Menschenrechtsverletzungen und Folter<br />
ignorieren, würden eine ungewollte Pathologisierung der KlientInnen vorantreiben. Die<br />
Menschenrechte schüfen hingegen den politischen Rahmen für die therapeutische Behandlung<br />
und Betreuung von Folteropfern (vgl. Bittenbinder 2000b). Deswegen sei die psychosoziale<br />
Arbeit mit Flüchtlingen „immer eine Arbeit am Schnittpunkt von Gesundheit und<br />
Menschenrechten“ (Koch & Winter 2001, S. 12). Die Konzentrierung auf Folter als Ursache<br />
für psychisches Leiden der Folterüberlebenden und ihrer Angehörigen stellt eine andere<br />
84 Dies spiegelt sich auch in den Namen der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge wider, wie<br />
Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin, XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte, REFUGIO<br />
München Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer, Gesellschaft zur Unterstützung<br />
von Gefolterten und Verfolgten Hamburg, Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge und Opfer organisierter<br />
Gewalt Frankfurt Main, REFUGIO Kiel Zentrum für Behandlung und Psychotherapie von Folter-, Flucht- und<br />
Gewaltopfern, BAFF Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und<br />
Folteropfer etc.. Die Namen der Zentren sind m.E. deshalb hervorzuheben, da auch die in den<br />
Behandlungszentren vertretenen Konzepte in der Gründungszeit bewusst ihre psychosozialen Hilfen für<br />
Flüchtlinge in dem Kontext einer historisch- politischen Dimension stellen wollten.<br />
85 Wenn von Behandlungszentren die Rede ist, sind hauptsächlich die in dem Dachverband der BAFF e.V.<br />
(Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer) organisierten<br />
Psychosozialen Zentren gemeint. Die meisten Darstellungen und Praxisreflexionen, auf die sich hier bezogen<br />
wird, sind von PraktikerInnen formuliert, die in diesen Zentren arbeiten oder in deren Umfeld entstanden.<br />
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