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ein noch stärkerer Druck auf eine ‚Professionalisierung’ der Begutachtungen, die noch mehr<br />
Kapazitäten der PraktikerInnen in Anspruch nähme und noch mehr Flüchtlinge ausschlösse.<br />
• Inwieweit verselbstständigt sich eine einmal formulierte Zielsetzung; inwieweit<br />
fangen PraktikerInnen an, ihre eigenen taktischen Formulierungen für bare Münze<br />
zu nehmen? 200<br />
Die heutige Situation hat mit den Intentionen der PraktikerInnen nur noch wenig gemein. Die<br />
einmal formulierte Zielsetzung, Flüchtlingen durch das Einbringen psychologischer bzw.<br />
medizinischer Expertisen in aufenthaltsrechtlichen Anerkennungsverfahren zu unterstützen,<br />
hat sich verselbstständigt. Es ist eine Situation entstanden, in der ein Rückzug aus der<br />
Begutachtungspraxis schwierig wird. Beide Entscheidungen des/ der PraktikerIn, jene für die<br />
Begutachtung von Flüchtlingen oder jene dagegen, hat negative Konsequenzen. Verweigert<br />
sich heute ein/e PraktikerIn der Begutachtung oder der Bestätigung einer erfolgten<br />
Behandlung, kann das die negative Konsequenz haben, dass der jeweilige Flüchtling in eine<br />
nachteilige Position gegenüber anderen Flüchtlingen gerät und in der letzten Konsequenz<br />
abgeschoben wird. Die Weigerung eines Flüchtlings, sich einer Begutachtung kooperativ zu<br />
unterziehen, hat selbstschädigende Konsequenzen. Ganz egal ob die Ablehung einer<br />
Begutachtung von Seiten des Flüchtlings oder von Seiten der PraktikerInnen erfolgt, der<br />
erheblichere Nachteil liegt immer bei der/ dem KlientIn bzw. ProbandIn.<br />
Entscheidet sich die/ der PraktikerIn aber für eine Teilnahme an der Begutachtungspraxis,<br />
handelt sie/ er sich jedoch die oben erörterten Widersprüche ein, die diese mit sich bringt.<br />
Eine Handlungserweiterung der PraktikerInnen durch die Begutachtungspraxis, mittels derer<br />
eine Psychologisierung der Probleme von Flüchtlingen und deren Bewältigungsstrategien<br />
entgegengetreten wird, ist möglicherweise eine Illusion, da nicht die/ der PraktikerIn die<br />
Entscheidungsmacht hat, wer ein Bleiberecht erhält, sondern schlussendlich andere Instanzen.<br />
Durch die Situation, in der PraktikerInnen im konkreten Kontakt mit Menschen<br />
begutachten müssen, ob eine PTSD vorliegt, und gleichzeitig dem Generalverdacht entgegnet<br />
werden muss, dass allen Flüchtlingen aus einer politischen Motivation heraus eine PTSD<br />
attestiert wird, entsteht eine „Ermäßigung von kritischem theoretischen Denken gegenüber der<br />
eigenen Praxis durch Praxisdruck“ (Markard und Holzkamp 1989, S. 35, Hervorhebung im<br />
Original). Dementsprechend ist nicht mehr klar, inwieweit eigene taktische Formulierungen<br />
für „bare Münze“ (ebd. S. 23) genommen werden, da das psychiatrische Diagnosebild PTSD<br />
bei aller Kritik der Begrenztheit dieses Konzeptes angewendet wird. Außerdem haben sich die<br />
Begutachtungspraxis und die Diagnostik insofern verselbstständigt, als durch die Profilierung<br />
200 Vergleich zu dieser Forschungsfrage Markard & Holzkamp 1989, S. 23.<br />
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