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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Lebensbedingungen in Deutschland als zentrale Bezugsgröße von Analysen gefasst werden,<br />

andererseits werden die vorrangegangenen ‚Sequenzen’ auch als wirkmächtig beachtet.<br />

4.3. Summerfields ‘Traumaindustrie’<br />

Derek Summerfield ist Psychiater an der Medical Foundation for the Care of Victims of<br />

Torture (MFCVT) in London. Summerfield (1997) kritisiert PraktikerInnen, die seit den<br />

Kriegen in BiH und Kroatien 80 Mitte der 90er Jahre im Rahmen von internationalen NGOs 81<br />

als psychosoziale ‚Eingreiftruppe Seele’ in sog. internationalen Krisengebieten operierten.<br />

Mit dem Etikett der ‚Traumaarbeit’ werden Projekte implantiert, um mit den angenommenen<br />

großen Massen der hilfebedürftigen ‚Kriegstraumatisierten’ beratend zu arbeiten. Dies nennt<br />

er polemisierend „Traumaindustrie“ (Summerfield, 1997, S. 22).<br />

Summerfield versucht in sieben Punkten die Prämissen der psychosozialen Projekte, die in<br />

den jeweiligen Krisenregionen operieren, auf den Punkt zu bringen. Auch wenn diese<br />

Projekte eine andere Bezugsgröße darstellen, als psychosoziale Zentren, die mit Flüchtlingen<br />

in westeuropäischen Aufnahmegesellschaften arbeiten, lassen sich die von Summerfield<br />

aufgestellten Prämissen nahezu ohne zusätzliche Erläuterungen auf die psychosoziale Arbeit<br />

mit Flüchtlingen in Deutschland übertragen 82 (ebd. 1997, S. 11ff):<br />

1. „Kriegserlebnisse und erlebte Greueltaten sind so extrem, dass sie nicht nur in großem<br />

Ausmaß Leid, sondern ‚Traumatisierung’ erzeugen.“ (S. 11)<br />

2. „Es gibt eine universelle menschliche Reaktion auf starken Stress auslösende Ereignisse“<br />

(S. 12).<br />

3. „Sehr viele kriegstraumatisierte Opfer benötigen professionelle Hilfe“ (S. 14).<br />

4. „Westliche psychologische Methoden sind weltweit für gewaltsame Konflikte relevant.<br />

Opfern kann besser geholfen werden, wenn sie ihre Gefühle zum Ausdruck bringen und<br />

über ihre Erfahrungen sprechen“ (S. 15).<br />

5. „Es gibt vulnerable Gruppen und Einzelpersonen, die für psychologische Arbeit besonders<br />

ins Auge gefasst werden müssen“ (S. 18).<br />

6. „Krieg stellt für die psychische Gesundheit eine Notsituation dar: schnelle Intervention<br />

kann die Entwicklung schwerwiegender psychischer Probleme verhindern, ebenso wie<br />

nachfolgender Kriege“ (S. 19).<br />

7. „Lokale Helfer sind von den Ereignissen überfordert und möglicherweise selbst<br />

traumatisiert“ (S. 20).<br />

80 „Stärker als jeder andere Krieg hat der Krieg in Bosnien und Kroatien eine große Anzahl psychosozialer<br />

Projekte angezogen, bei denen multilaterale Agenturen und bedeutende Hilfs- und Entwicklungsorganisationen<br />

stark vertreten sind. Das UN- Flüchtlingskommissariat (UNHCR) unterstützte annähernd 40 Projekte,<br />

einschließlich Kindergärten, Berufsschulklassen für Jugendliche, Frauenprojekte und Selbsthilfegruppen sowie<br />

psychiatrische Beratung in Gemeinschaftszentren. [...] Ebenso war man darauf bedacht, einheimisches Personal<br />

auszubilden, sei es für Erziehung, Gesundheitsdienste oder soziale Dienste“ (Summerfield, 1997, S. 10f).<br />

81 Non Govermental Organisations bzw. Nicht- Regierungs- Organisationen.<br />

82 Auch ist Summerfield selbst Praktiker der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen in der Aufnahmegesellschaft<br />

Groß Britannien.<br />

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