vollständige Diplomarbeit - Socialnet
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ausgelaufen ist und sie für sich keine berufliche Perspektive sieht. Es scheint auch kein Weg<br />
offen. Lejla hat sich in viele Richtungen bemüht, Weiterbildungen gemacht,<br />
Volkshochschulkurse, es erscheint jedoch aussichtslos. Dies ist nicht direkter<br />
Gesprächsinhalt, scheint allerdings indirekt durch Äußerungen wie („Wenn man beschäftigt<br />
ist, dann geht man los, man hat ein Ziel“; „Und ich wollte wirklich so eine Befugnis haben,<br />
um einen Job zu finden, dass ich dann von niemanden abhängig bin“) durch. Auch war Lejla<br />
wegen starken Schmerzen im Unterleib mehrmals beim Arzt, der aber keine physische<br />
Ursache feststellen konnte; sie hat Angst, dass sie einen bösartigen Tumor haben könnte.<br />
Das Interview findet an einem Donnerstag Nachmittag auf der Arbeitsstelle von Lejla<br />
statt. Obwohl Lejlas Arbeitsvertrag ausgelaufen ist und nicht mehr verlängert wird, hat sie<br />
dort noch ein Arbeitszimmer. Anwesend während des Gesprächs sind lediglich Lejla und<br />
Interviewerin. Draußen ist es hektisch und laut. Zweimal wird das Gespräch von Kolleginnen<br />
gestört. Eine Kollegin kommt herein, um sich zu verabschieden, und einmal bittet die<br />
Geschäftsführerin der Einrichtung Lejla um ein Gespräch. Um nicht mehr gestört zu werden,<br />
schließen Interviewerin und Interviewte schließlich die Tür ab und legen den Telefonhörer zur<br />
Seite. Die Atmosphäre an dem Gesprächsort ist nervös und nicht entspannt. Auch die<br />
Interviewerin ist an dem Gesprächstag angespannt und müde. Das Interviewgespräch beginnt<br />
später als verabredet, da Lejla bei Ankunft von der Interviewerin noch in einer Besprechung<br />
ist. Das Interview findet in deutscher Sprache statt. Im Vorfeld des Interviews teilt die<br />
Interviewerin Lejla mit, dass all ihre Angaben im Interview anonymisiert werden. Sie sucht<br />
sich den Interviewnamen Lejla aus, da sie schon immer habe Lejla heißen wollen.<br />
Lejla ist so angespannt im Vorfeld des Interviews, dass beide überlegen, einen neuen<br />
Termin auszumachen. Es wird entschieden, das Interview zu beginnen und u.U. zu einem<br />
späteren Termin fortzuführen. Lejla möchte versuchen, das Interview trotz ihrer belasteten<br />
Verfassung durchzuführen, auch damit sie es hinter sich habe. Dass sie die Wahl hat, über<br />
ihre Erlebnisse im Krieg zu sprechen, wenn sie es will, scheint gerade für Lejla sehr wichtig.<br />
Sie äußert immer wieder, dass sie lange brauche, um Vertrauen in ihre Mitmenschen zu<br />
fassen. Wenn Lejla der Interviewerin von ihren Erfahrungen im Krieg erzählt hat, tat sie es<br />
immer auf eine differenzierende, wenig ‚ethnisierende’ Weise. Leid ist ihr und ihren<br />
Angehörigen von ‚serbischer’ Seite angetan worden, trotzdem vermeidet sie globale<br />
Verurteilungen. Dass sie ihre Urteile moderat und differenziert äußert, könnte auch mit der<br />
Gesprächspartnerin zu tun haben. Dabei könnte weniger die gebrochene Zugehörigkeit der<br />
Interviewerin zu der ‚serbischen’ Gruppe eine Rolle spielen, als dass die Interviewerin mit<br />
einigen ‚SerbInnen’ aus dem Herkunftsort von Lejla befreundet ist. Lejla weiß um diesen<br />
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