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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Munira bezeichnet die Begutachtungssituation aber auch als „erschütternd“ („Ja, ich war<br />

hin und hergerissen, da musste ich alles von meiner Geburt an, von Anfang an, alles erzählen,<br />

wie es in meiner Kindheit war, wie es hier in Deutschland war, alles, das war für mich<br />

erschütternd“). Es mutet ungewöhnlich an, dass Munira über die Begutachtung spricht und<br />

zur gleichen Zeit den zentralen Aspekt einer Begutachtungssituation, die besprochenen<br />

Inhalte während der Begutachtungsgespräche, auslässt. Sie erzählt nur allgemein, was<br />

besprochen wurde und wie es ihr dabei ergangen ist. Auf Nachfragen schildert Munira die<br />

Begutachtungssituation nicht genau, sie reißt sie an und wechselt schnell zu anderen Personen<br />

oder Themen ( Bspw.: „Ja, die Ärztin war auch ganz gut. Die war so gefühlsvoll, sie hat<br />

gesehen, wenn es mir schlecht ging, dann hat sie Aufgehört, dann hat sie halt eine kleine<br />

Pause eingelegt, ja. (Pause) Ja, von manchen Menschen hab ich ja gehört, dass es so `ne<br />

Psychologen gibt, die so gefühlskalt sind...“). Ein freundlicher Umgang von deutscher,<br />

offizieller Seite, auch von ÄrztInnen und PsychologInnen ist für Munira nicht<br />

selbstverständlich. Das Überprüfen, ob jemand mit ihr und ihren Angehörigen korrekt<br />

umgeht, gehört zu Muniras Realität. („Ja, die ist gut mit mir umgegangen“ ; „ Zum Glück<br />

habe ich eine gute Psychologin gehabt“).<br />

Ein naheliegendes geplantes Verhalten und das Einordnen der Begutachtung des<br />

Vorliegens einer Traumatisierung als strategisch, ist in dem Interview nicht sichtbar. Dies<br />

könnte daran liegen, dass die vollkommene Infragestellung des Konzeptes Trauma, an dem<br />

eine Gerechtigkeit ausgemacht werden und gemessen werden kann, für Munira negative<br />

Konsequenzen haben könnte. Dass traumatisierte Flüchtlinge, „egal woher sie kommen“, in<br />

Deutschland bleiben dürfen sollen, ist ein ‚gerechter’ Maßstab an dem unterschiedliche<br />

Erlebnisse gemessen werden können. Wenn die Traumaregelung insgesamt als willkürlich in<br />

Frage gestellt werden würde, würde das Gefühl von einer Geregeltheit und Gerechtigkeit<br />

verschwinden, welches für Munira wichtig zu sein scheint.<br />

Als Tochter von Flüchtlingen aus dem Sandžak ist Munira die aus ihrer Sicht bestehenden<br />

Beliebigkeit, für wen die Traumaregelung gelte, immer bewusst. Munira sieht das im<br />

Zusammenhang mit einer politischen Entscheidung: „weil die, die Regierung 165<br />

unterschrieben hat, dass es da unten Möglichkeiten der Behandlung gibt, obwohl das nicht<br />

stimmt“. Flüchtlinge aus dem Sandžak haben in letzter Zeit noch größere Schwierigkeiten,<br />

einer Abschiebung aus Deutschland zu entgehen, unabhängig davon, wie krank sie sind und<br />

was sie während der Kriege erlebt haben. So auch die Eltern von Munira und ihr Bruder.<br />

(„Meine Mutter hat ja seit Anfang des Jahres (Pause) einfach keine Duldung mehr verlängert<br />

165 Von Serbien und Montenegro.<br />

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