vollständige Diplomarbeit - Socialnet
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Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein<br />
chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und<br />
Entfremdungsgefühl, gekennzeichnet. Eine Posttraumatische Belastungsstörung<br />
(F43.1) kann dieser Form der Persönlichkeitsänderung vorausgegangen sein.<br />
Persönlichkeitsänderungen nach: •andauerndem Ausgesetztsein lebensbedrohlicher<br />
Situationen, etwa als Opfer von Terrorismus; •andauernder Gefangenschaft mit<br />
unmittelbarer Todesgefahr; •Folter; •Katastrophen; •Konzentrationslagererfahrungen<br />
[...]“ (ICD 10, Kap. V 1993 S. 33)<br />
3.5. Vor- und Nachteile des psychiatrischen Diagnosebildes PTSD. Realität oder<br />
Neurose, Trauma oder Leid, Opfer oder PatientIn?<br />
Mit der Aufnahme der PTSD in die klinischen Klassifikationssysteme für psychiatrische<br />
Erkrankungen wird ein Symptombild beschrieben wird, welches den Zusammenhang von<br />
Gewalt und menschlichem Leid anerkennt. Durch die Bestimmung eines extrem belastenden<br />
Lebensereignisses als Ursache für eine psychiatrische Erkrankung kann die PTSD als „Modell<br />
zur Korrektur der dekontextualisierten Aspekte der heutigen psychiatrischen Nomenklatur<br />
dienen, das die Aufmerksamkeit wieder auf den lebenden Menschen richtet, anstatt auf die<br />
konkretistische Definition der psychischen ‚Störungen’ als ‚Dinge an sich’, was uns<br />
zurückführt zu den persönlichen Erfahrungen der Menschen und zu der Bedeutung, die sie<br />
ihnen zuschreiben“ (van der Kolk et. al. 2000b, S. 28). Die Einführung der PTSD als<br />
Diagnosekriterium bedeutet häufig eine rechtliche Anerkennung des Leides. Dieses beinhaltet<br />
die Möglichkeit, Versicherungsleistungen, Behandlungskosten, Rentenansprüche und<br />
Entschädigungsleistungen durchzusetzen.<br />
Mit der PTSD wurde eine psychiatrische Diagnose erschaffen, die mit dem Kriterium A<br />
eine ätiologische Grundvoraussetzung beinhaltet, nämlich das den Beschwerden<br />
vorangehende traumatische Ereignis (vgl. Liebermann et. al. 2001; van der Kolk et. al.<br />
2000b). Darin werden alle möglichen ‚traumatisierenden’ Lebensereignisse zu Ungunsten<br />
einer Berücksichtigung der unterschiedlichen Kontexte nebeneinandergestellt. Im DSM- IV<br />
existiert lediglich ein einführender Hinweis auf unterschiedliche ‚traumatisierende<br />
Lebensereignisse’, die einen kleinen gemeinsamen Nenner haben. Gemeinsam ist diesen<br />
Erlebissen, dass ein traumatisches Ereignis „eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit für<br />
sich oder Andere“ (ICD- 10 1993, S. 22) darstellt. Unterschieden wird aber in beiden<br />
klinischen Klassifikationssystemen nicht, ob eine Person ein Erdbeben überlebt hat, eine<br />
lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert bekommt, jahrelang von einer nahestehenden<br />
Person, zu der sie in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, sexualisierte Gewalt erfahren- oder<br />
im Kontext von Krieg Haft, Folter und Vertreibung erlebt hat.<br />
Die im ICD- 10 und im DSM- IV formulierten Klassifikationskriterien der PTSD decken<br />
nicht das Spektrum traumaindizierter Störungen ab. Es ist auch innerhalb der klinischen<br />
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