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These der verfrühten Erlebnisse sexueller Natur in der Kindheit als Ursache für hysterische<br />

Symptome seiner Patientinnen (vgl. Freud 2000/ 1896). Hierin erklärte Freud:<br />

„Ich stelle also die Behauptung auf, zugrunde jeden Falls von Hysterie befinden sich-<br />

durch die analytische Arbeit reproduzierbar, trotz des Dezennien umfassenden<br />

Zeitintervalls- ein oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexueller Erfahrungen,<br />

die der frühesten Jugend angehören. Ich halte dies für eine wichtige Enthüllung“<br />

(ebd. S. 64, Hervorhebung im Original).<br />

Durch seine ersten klinischen Erfahrungen erschien es Freud als „sicher, dass unsere<br />

Kinder weit häufiger sexuellen Angriffen ausgesetzt sind, als man nach der geringen, von den<br />

Eltern hierauf verwendeten Fürsorge erwartet sollte“ (ebd. S. 68).<br />

Der postulierte Zusammenhang zwischen verfrühten sexuellen Erfahrungen und den<br />

Symptomen seiner ‚hysterischen’ Patientinnen wurde jedoch schon ein Jahr später, im Jahre<br />

1897, zugunsten der Möglichkeit einer der Phantasie der Patientin entsprungenen<br />

‚Verführung’ relativiert (vgl. Aumann 2002; Aumann 2003; Bittenbinder 1999; Herman 1994;<br />

Liebermann et. al. 2001; van der Kolk et. al. 2000c). “Das real existierende Trauma wurde zu<br />

Gunsten der Phantasie ignoriert” (van der Kolk et. al. 2000c, S. 79). Nun waren es also nicht<br />

mehr die Erinnerungen an ein tatsächlich stattgefundenes Kindheitstrauma, „die vom<br />

Bewusstsein abgespalten sind, sondern vielmehr die inakzeptablen sexuellen und aggressiven<br />

Wünsche des Kindes, die bedrohlich auf das Ich wirken und Abwehr gegen das<br />

Bewusstwerden dieser Wünsche mobilisieren“ (ebd. S. 78). Die amerikanische<br />

Psychotherapeutin und Feministin Judith Herman führte diese Relativierung auf die<br />

„drastischen sozialen Konsequenzen, die seine Hypothese nahe legt“ (Herman 1994, S. 26)<br />

zurück, die Freud „zunehmend beunruhigten“ (ebd.). „Weibliche Hysterie war weit verbreitet.<br />

Wenn seine Patientinnen die Wahrheit gesagt hatten und seine Theorie stimmte, blieb nur die<br />

Folgerung, dass das, was er ‚Perversion gegen Kinder’ nannte, weit verbreitet war.“(ebd.). Für<br />

diese These spricht der defensive Aufbau des Vortrages Freuds, in dem er immer wieder<br />

Gegenargumenten vorgriff 68 . Auch, dass Freud in einem unveröffentlichten Brief an Fließ<br />

berichtete, der Vortrag habe „eisige Aufnahme gefunden“ (Freud 2000/ 1896, S. 52) spricht<br />

für diese These 69 .<br />

68 Nachdem Freud seinen Zuhörern seine These der frühen kindlichen sexuellen Erfahrungen als Ursache der<br />

Symptome seiner hysterischen Patientinnen vorstellt, stellt er direkt anschließend die Frage: „Soll ich mein aus<br />

den Analysen direkt gewonnenes Material vor Ihnen ausbreiten, oder soll ich nicht lieber vorerst der Masse von<br />

Einwänden und Zweifeln zu begegnen suchen, die jetzt von Ihrer Aufmerksamkeit Besitz ergriffen haben, wie<br />

ich wohl zu recht vermuten darf? Ich wähle das letztere“ (Freud 2000/ 1896, S. 64).<br />

69 Es wird sich an dieser Stelle darauf beschränkt, eine Debatte zum Trauma als Reaktion auf reale Erlebnisse<br />

versus Trauma als Ergebnis von Abwehr innerer Konflikte anzudeuten. Verwiesen werden soll aber auf eine<br />

Kontroverse zu dieser Frage innerhalb der Psychoanalyse. (Siehe dazu Herman 1994; Becker 2002 b; Aumann<br />

2002; Aumann 2003).<br />

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