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zu umgehen, bis zum Versuch, die restriktiven Bedingungen der Flüchtlinge selbst zu ändern,<br />
durch Vernetzungsarbeit, Unterschriftenaktionen wie den Appell für eine Berliner<br />
Bleiberechtsregelung (2004a), Fachaustausche mit psychosozialen PraktikerInnen im Bosnien<br />
und Hercegovina, eine Evaluationsreise nach Serbien und in den Kosovo u.ä.. Insbesondere<br />
wird aber Engagement über das Einbringen klinisch- fachlicher Expertisen in<br />
aufenthaltsrechtliche Verfahren gezeigt. In vielen Texten wird ein stabiler Aufenthalt für die<br />
Flüchtlinge gefordert und versucht, dieses fachlich durch die Unmöglichkeit, unter diesen<br />
Bedingungen therapeutisch zu arbeiten, zu untermauern (vgl. Bittenbinder 1999; Wirtgen<br />
1999; Koch 2001; Birck 2002a; Rössel- Cunovic 1999; Hauser & Joachim 2003; Rüffer et. al.<br />
2003).<br />
Viele Flüchtlinge wenden sich erst im Rahmen eines „konkreten Anlasses“ (Bittenbinder<br />
1999, Seite 50) an die Behandlungszentren. Dieser konkrete Anlass sind psychische Krisen<br />
und Zusammenbrüche, die meist in einem konkreten Zusammenhang mit einer existentiellen<br />
Bedrohung durch Abschiebung stehen.<br />
„Nicht selten ist es die ‚Notwendigkeit’, sich an die Ereignisse zu ‚erinnern’, die von<br />
außen an die Person herangetragen wird. Eine Anhörung oder ein Termin bezüglich<br />
des Asylverfahrens steht an, und die Frau gerät in eine akute Krise, weil sie nicht<br />
weiß, ob sie reden kann, soll oder muss. Häufig sind es auch ehrenamtliche oder<br />
professionelle HelferInnen, ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen die aufmerksam<br />
werden und nachfragen. [...] Der Anlass für das Interesse der HelferInnen ist ein<br />
‚äußerer’, nämlich die Tatsachen in das Asylverfahren mit aufzunehmen, und die<br />
‚Realität’ der Vergewaltigung anzuerkennen“ (ebd. S. 51).<br />
Unter den gegebenen ausgegrenzten und unsicheren Lebenssituationen des Klientels<br />
findet eine klassische Psychotherapie eher selten statt. Häufig wird eine Krisenintervention<br />
durch stützende Gespräche praktiziert (vgl. Rössel- Cunovic 1999 oder Rüffer et. al. 2003).<br />
Ein intensives Vertrauensverhältnis wird als zentral in der Arbeit mit Flüchtlingen und Opfern<br />
organisierter Gewalt erachtet (vgl. Rauchfuss 2005; Bittenbinder 2000a; Becker 1995). Das<br />
Vertrauen in andere Menschen, insbesondere bei offiziellen Kontakten ist oft durch erlittene<br />
Folter oder extreme Gewalterfahrungen durch Menschenhand in die Brüche gegangen. Auf<br />
der anderen Seite ist der Kontakt mit offiziellen Behörden und Entscheidungstragenden in<br />
Deutschland, sei es in der Ausländerbehörde, beim Sozialamt, Arbeitsamt, im Wohnheim etc.<br />
häufig nicht wohlwollend und positiv erlebt worden. Zur Schaffung eines<br />
Vertrauensverhältnisses spielt die „öffentliche Wahrnehmung der Behandlungseinrichtung als<br />
eine parteilich im Sinne der Menschenrechtsarbeit agierende Institution“ (Rauchfuss 2005, S.<br />
3) eine große Rolle. So soll durch eine öffentlich gemachte Parteinahme für Flüchtlinge einem<br />
Misstrauen von Flüchtlingen entgegen gewirkt werden. Aber auch im konkreten Kontakt ist<br />
eine „Parteinahme hinsichtlich des Verfolgungsschicksals der KlientInnen“ (ebd.) immer<br />
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