28.05.2013 Aufrufe

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

plötzliche Verschwinden von Angehörigen, Bekannten, Freunden, Spiel- und<br />

Schulkameraden“ (ebd. S. 56f). Zusammenfassend bezeichnet Keilson diese Sequenz als<br />

eine „panische Auflösung der eigenen vertrauten Umgebung“ (ebd. S. 57).<br />

• Zweite Sequenz<br />

Die zweite traumatische Sequenz beginnt mit der direkten Verfolgung, der Trennung von<br />

den Eltern und dem Verstecktsein bzw. der Konzentrationslagerhaft und endet mit der<br />

Befreiung von den Deutschen Besatzern und dem Ende des Krieges. Eltern und Kinder<br />

werden in dieser Periode deportiert. Die jüdischen Kriegswaisen halten sich in<br />

Konzentrationslagern oder im Versteck auf. Die Belastungen in dieser Zeit „enthalten<br />

neben der direkten Lebensbedrohung, der Rechtlosigkeit ihrer Situation, dem<br />

Ausgeliefertsein an eine feindliche Umgebung, die im streßorischen Sinn zu verstehenden<br />

Dauerbelastungen wie Entbehrung, Hunger, Krankheit; ferner eindeutig die<br />

psychologischen Erlebnisqualitäten der ‚generellen Bedrohlichkeit’, wie Zermürbung,<br />

Infragestellung und Vernichtung mitmenschlicher Verhaltensweisen [...] durch die<br />

Konfrontation mit der brutalen Macht, dem Grauen und dem Tod“ (ebd. S. 57). Die<br />

Belastungen in dieser Phase setzen sich für die Kinder aus zwei Dimensionen zusammen,<br />

der aktuellen Kriegssituation sowie der Pflegekindschaft der ‚Versteckten’.<br />

• Dritte Sequenz<br />

Die dritte traumatische Sequenz beginnt schließlich in der Nachkriegsperiode mit all<br />

ihren Schwierigkeiten der Wiedereingliederung. Sie ist gekennzeichnet durch „Rückkehr<br />

aus der Rechtlosigkeit in rechtlich gesicherte und bürokratisch geordnete Zustände“ (ebd.<br />

S. 58). „Maßnahmen hinsichtlich der Vormundschaft und hinsichtlich ihrer weiteren<br />

Unterbringung [...] bedeuteten neue Eingriffe in das Leben der Kinder aus der stark<br />

dezimierten jüdischen Bevölkerungsgruppe. Die Waisenschafts- und<br />

Vormundschaftsproblematik war unlösbar verbunden mit der Konfrontation mit der<br />

Modalität des Todes der Eltern“ (ebd. S. 58). „Das ‚Auftauchen’ oder ‚Zurückkehren’<br />

geschah in eine andere Welt, als die, die man verlassen hatte. Das Ende der<br />

Lebensbedrohung, der Beginn der Rehabilitationsmaßnahmen, der Versuch der<br />

Aufarbeitung der entstandenen Schäden und Lücken führte nur zu oft zu einer Verstärkung<br />

der Konfrontation mit den erlittenen Traumata und dadurch zu neuen Schädigungen“<br />

(Keilson 1979, S. 58). Auch „Trauer und Schuldgefühl der Überlebenden“ (ebd. S. 78)<br />

tauchen meist erst in der dritten Sequenz auf.<br />

Von vielen der untersuchten jüdischen Kriegswaisen wurde in der follow- up-<br />

Untersuchung immer wieder die dritte traumatische Sequenz „als die eingreifenste und<br />

schmerzlichste ihres Lebens bezeichnet, und zwar nicht nur ihrem subjektiven Ermessen nach,<br />

sondern auch aufgrund objektiv aufzeigbarer Kriterien“ (ebd. S. 58). Im Idealfall sollten die<br />

Kinder aus einem Zustand der „Passivität, Duldung, des Mit- sich- geschehen- lassens“ (ebd.<br />

S. 70) in eine Lage versetzt werden, in der „auf einmal Aktivität, ihre Initiative, ihre<br />

Entschlusskraft und an ihren Einsatz appelliert wurde“ (ebd.). Häufig dominierte insbesondere<br />

im Zusammenhang mit sorgerechts- und vormundschaftsrechtlichen Entscheidungen „das<br />

Gefühl des Ausgeliefertseins an Instanzen, die über Wohl und Wehe der Kinder gebieten“<br />

(ebd. S. 76f). In der Nachuntersuchung wiesen die befragten Erwachsenen „die<br />

Nachkriegsperiode als die schwierigste Phase der extremen Belastungssituation an“ (ebd. S.<br />

73). Diese sei auch die entscheidende Phase für den weiteren Werdegang der Betroffenen.<br />

56

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!