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elevante Beträge vorzubringen“ (ebd. S. 35). „Manche Kulturen erzählen einsilbig und<br />
wortkarg, andere umständlich und weitschweifig“ (ebd. S. 34), was Aussagen zum<br />
Detailreichtum schwierig mache. Auch das „Verhalten gegenüber Autoritäten“ (ebd.) sei sehr<br />
variabel. Fragen und Antworten würden „oft nur indirekt gestellt, Blickkontakt gilt als<br />
respektlos“ (ebd.). Auch seien kulturelle Tabus zu beachten, in vielen Fällen, gelte z.B.<br />
erfahrene sexualisierte Gewalt als Ehrverletzung, die bei Öffentlichmachung die Integrität des<br />
Opfers nochmals in Frage stelle (vgl. Birck 2002b; Birck 2003b).<br />
Auch die Arbeit mit SprachmittlerInnen ist nicht untersucht. Da eine<br />
Glaubhaftigkeitsbegutachtung ihre Ergebnisse aus der Art und Weise der Verwendung von<br />
Grammatik und anderen sehr spezifischen Kommunikationen gewinnt, stellt die Übersetzung<br />
eine schwer kontrollierbare Größe dar (vgl. Birck 2002b; Birck 2003a, Birck 2003b) 113 .<br />
Bei der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen potentiell ‚traumatisierter’<br />
Flüchtlinge wird sich wegen der angesprochenen Probleme auf die Substanziierung der<br />
Aussagen der Begutachteten durch das Symptombild und die fachliche Einschätzung,<br />
inwieweit es nach fachlich- traumatologischen Kenntnissen wahrscheinlich ist, dass die<br />
ProbandIn erlebnisfundierte Erfahrungen und Beschwerden schildert, beschränkt (siehe dazu<br />
Marx et. al. 2004). Zur Frage des Erlebnisbezugs der vorgetragenen Geschichten der<br />
Begutachteten wird die Position vertreten, dass die fachliche Beantwortung der Frage der<br />
Glaubhaftigkeit bei klinischen Begutachtungen nach den oben dargestellten Standards und<br />
Qualifikationen der BAFF und SBPM nicht zulässig ist. „Der Auftraggeber ist darauf<br />
hinzuweisen, dass diese Fragestellungen in den Bereich der forensischen Psychologie<br />
gehören, in welcher allerdings zur Zeit keine standardisierten und wissenschaftlich<br />
überprüften Verfahren zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit von Angaben psychisch<br />
traumatisierter Personen zur Verfügung stehen, zumal solcher, die nicht dem hiesigen<br />
Kulturkreis angehören“ (Gierlichs et. al. 2005, S. 6). Sie können nur Anhaltspunkte liefern zu<br />
relevanten Fragen, die zu einer Entscheidungsfindung der Erlebnisfundiertheit von Aussagen<br />
mit beitragen können, sowie Einschätzungen zur potentiellen krankheitsbedingten<br />
Eingeschränktheit der Aussagefähigkeit der/s ProbandIn.<br />
5.5. Abschließende Bewertung<br />
113 Auch die Aussagepsychologie bezieht dazu Position, dass eine Glaubhaftigkeitsbegutachtung mit<br />
DolmetscherIn schwer durchführbar sei. „Hinsichtlich des sprachlichen Auffassungs- und Ausdruckvermögens<br />
ist zweifellos dann ein Sonderfall gegeben, wenn es sich um eine Exploration nicht deutschsprachiger Zeugen<br />
handelt. [...] Aussagepsychologische Exploration unter Hinzuziehung eines Dolmetschers sind methodisch<br />
generell problembehaftet, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch den Übersetzungsprozess sowohl<br />
subtile Aspekte der Frageformulierung als auch aussagepsychologisch relevante Aspekte der Zeugenaussagen<br />
verfälscht werden können“ (Greuel et. al. 1998, S. 58).<br />
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