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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Nicht die Qualität und Quantität der Erlebnisse in der ersten oder der zweiten Sequenz erwies<br />

sich als ausschlaggebend für eine erfolgreiche Verarbeitung der Erlebnisse, sondern die<br />

Lebensbedingungen in der Nachkriegsperiode.<br />

Die von Keilson definierten Sequenzen für jüdische Kriegswaisen sind auf die<br />

Erfahrungen von Krieg, Verfolgung, politischen Repressionen und Flucht der bosnischen<br />

Flüchtlinge verallgemeinerbar. Beide Gruppen- die jüdischen Kriegswaisen wie bosnische<br />

Flüchtlinge- können als sequentiell traumatisiert gefasst werden. Unter Einbezug der<br />

unterschiedlichen historischen Situationen scheint für beide Gruppen die Fassung<br />

unterschiedlicher belastender Sequenzen sinnvoll, um ihre Leiden und Erlebnisse<br />

konzeptionell fassbar zu machen. Insbesondere die dritte Keilsonische Sequenz der Zeit nach<br />

der unmittelbaren Verfolgung ist für die Gruppe der bosnischen Flüchtlinge strukturell<br />

ähnlich bestimmbar, wie für die Gruppe der jüdischen Kriegswaisen. Für beide Gruppen<br />

besteht nach den Erlebnissen unmittelbarer existenzieller Bedrohung die äußere und<br />

belastende Notwendigkeit der Klärung ihres rechtlichen Statusses auch mittels klinisch-<br />

fachlicher Begutachtung, wie die Aufgabe, nach ihren Erlebnissen von extremen Leid, weiter<br />

leben zu müssen. Die Keilsonische Forderung des Einbezuges der spezifischen Kontexte der<br />

jüdischen Kriegswaisen und der für eine Gruppe in einer spezifischen historischen Situation<br />

gefassten Sequenzen, kann durch den Einbezug strukturell ähnlicher Prämissen- Gründe-<br />

Zusammenhänge fruchtbar werden, die durch Prämissenspezifizierung (in und zwischen<br />

Gruppen) zu bewerkstelligen ist. David Becker (1997a) schlägt vor:<br />

„Für jeden sozialen Zusammenhang und für die in ihm agierenden Menschen können<br />

wir eine Vielzahl von traumatischen Sequenzen definieren. Jenseits all[er] [...]<br />

Spezifizierungen scheint allerdings Konsens darüber zu herrschen, dass zwischen<br />

den Sequenzen der Diktatur oder des Krieges und jener der Nachkriegszeit ein<br />

markanter Unterschied besteht“ (Becker 1997a, S.37).<br />

Wie oben dargestellt, fasste Hans Keilson das Trauma der von ihm begleiteten und<br />

untersuchten jüdischen Kriegswaisen als einen Prozess, der sich in Sequenzen fassen lässt.<br />

Diese Sequenzen stellen externe, sich auf die Lebensbedingungen der Kinder direkt<br />

auswirkende Ereignisse dar. Diese doppelte Erfassung von gesellschaftlichen Ereignissen und<br />

dem Verhalten zu diesen Ereignissen, macht das Konzept von Keilson attraktiv. Es ist ein<br />

psychologisches Konzept, welches das psychische Befinden der Betroffenen im Mittelpunkt<br />

hat. Aber dieses wird nicht isoliert oder abstrakt mit äußerlichen Lebensereignissen<br />

verbunden dargestellt, sondern in einem konkreten gesellschaftlichen Kontext situiert. Dieses<br />

Konzept richtet den Blick auf den Prozess der Lebensbedingungen, der nicht mit einem<br />

konkreten traumatischen Ereignis erschöpfend beschrieben ist, auch nicht mit der Abfolge<br />

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