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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Von Seiten der Entscheidungstragenden wird immer wieder Druck auf die<br />

Professionalisierung und Standardisierung der Begutachtungen ausgeübt und es kommen<br />

immer mehr Anfragen zu der Glaubhaftigkeit der Aussagen der ProbandInnen hinzu, auch<br />

wenn, wie in diesem Kapitel dargestellt, die Überprüfung Glaubhaftigkeit von Aussagen der<br />

Flüchtlinge fachlich breit zurückgewiesen wird.<br />

PraktikerInnen begeben sich durch die Begutachtungspraxis in einen Interessenskonflikt.<br />

Das Interesse der Entscheidungstragenden kannwie folgt zusammengefasst werden:<br />

„Die Aufgabe, die von vielen [...] den Richtern hier und natürlich auch dem<br />

Bundesamt zugewiesen wird, nämlich zu unterscheiden- wer verdient, wer darf den<br />

Schutz beanspruchen, wer hat Anspruch auf Schutz des Asylrechts oder auch des<br />

Abschiebeschutzes und wer hat es nicht?- diese Aufgabe ist nach meinem<br />

Verständnis nicht nur den Richtern zugewiesen, sondern [...] uns allen. Ich spreche<br />

damit insbesondere auch die Anwälte an [...]. Ich spreche damit auch die<br />

Sachverständigen an, die nach der Prozessordnung Gehilfen des Richters bei der<br />

Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes sind“ (Wilke 2003, S. 61).<br />

Flüchtlinge, die sich an die PraktikerInnen wenden, um eine gutachterliche Stellungnahme<br />

zu erwirken, handeln aus dem Interesse heraus, eine Unterstützung im aufenthaltsrechtlichen<br />

Verfahren zu erhalten. Meist hat es sich in der jeweiligen Community herumgesprochen, dass<br />

mittels solch einer Attestierung größere Chancen auf einen positiven Ausgang im<br />

aufenthaltsrechtlichen Verfahren bestehen oder ihre RechtsanwältInnen haben sie direkt an<br />

die Behandlungszentren zwecks Begutachtung verwiesen. Im Falle der bosnischen<br />

Flüchtlinge hat z.T. die Ausländerbehörde selbst angewiesen, dass Antragsstellende sich einer<br />

Begutachtung einer der KlinikerInnen auf der BegutachterInnenliste unterziehen müssen.<br />

BegutachterInnen handeln zwar aus dem Interesse heraus, diese Menschen im<br />

aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu unterstützen. Ihre Möglichkeiten sind jedoch durch das<br />

Interesse der Entscheidungstragenden von vornherein eingeschränkt. So ist es für die<br />

BegutachterInnen schwer, einer Instrumentalisierung durch die Entscheidungstragenden zu<br />

entgehen, die darin besteht, für sie Verfolgungsinhalte mit zu explorieren und zu<br />

dokumentieren, aber die Entscheidungen selbst nicht mit in der Hand zu haben.<br />

Hinzukommend wird durch die Begutachtungspraxis gesellschaftlich der Eindruck vermittelt,<br />

dass diejenigen, ‚die es wirklich verdienen’, als Flüchtlinge in Deutschland anerkannt würden.<br />

Um Angriffen auf die eigene Professionalität zu entgegnen,Wird argumentiert , eine<br />

„engagierte Position schließt ein hohes Maß an Fachlichkeit nicht aus“ (Koch & Winter 2001,<br />

S. 15). Auch wenn der Vorwurf, die PraktikerInnen erstellten sog. Gefälligkeitsgutachten<br />

ob diese Erlebnisse objektiv stattgefunden haben oder nicht (siehe Appell für ein Berliner Bleiberecht 2004c).<br />

Diese Informationen an die Entscheidungstragenden führen wiederum häufig dazu, dass Flüchtlinge<br />

abgeschoben werden.<br />

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