vollständige Diplomarbeit - Socialnet

kann, egal, wie schlimm es war, sondern
von meinem Zustand oder von meiner
Stärke oder ich weiß nicht genau, wie ich
das ausdrücken kann. Wie ich das tragen
kann, das ist mein Trauma. Meine
Schmerzen, meine Erlebnisse und ich kann
das nicht mit anderen vergleichen.
Manchmal dachte ich so, ja, was diese Frau
erlebt hatte, meins ist nichts, weil da waren
die Frauen aus Srebrenica, die vier, fünf
Jahre so jede Stunde was erlebt haben, also
weil, ich habe nie Hunger gehabt oder so
was. Weil ich war ganz kurz, paar Monate
im Krieg, aber trotzdem. (Pause)
„Und dann diese Diagnose, das
versteh ich nie, was da steht“
- Und dann hattest du erzählt, 97 hast du
das erste Mal eine Stellungnahme für die
Ausländerbehörde auch abgegeben.
Lejla- Ja.
- Von B.
Lejla- Ja.
- Weißt du noch, was da so ungefähr drin
stand, was sie dir da geschrieben hat?
Lejla- Ne, ungefähr, dass sie mir diese,
dass ich so eine Teilnehmerin von der
Therapie bin und dann diese Diagnose, das
versteh ich nie, was da steht, also. Aber ich
kann dir das zeigen.
- War das kurz oder lang?
Lejla- Das war kurz, nicht so lang. Und
dann mein zweites Attest war fast drei
Seiten. Und das hat, also ich bin 1998 zur
Beerdigung von meinem Mann gegangen.
Nachdem, da hatte ich eine Retrau-
Retraumatisierung gekriegt, da ging’s mir
sehr schlecht. Ich hab wieder in der
Gruppe geredet, dann hat A, also, sie ist
schon auch auf dieser Liste 150 . Die hatte
gesagt, dass ich zu ihr kommen sollte, dass
sie für mich so ein Attest machen würde.
Und dann haben wir uns lange unterhalten,
alles, wie das so, in dem Moment, wie ich
mich fühle, wie ich das-
- Das war 98 jetzt?
150 Liste der ÄrztInnen und TherapeutInnen, die von
der Ausländerbehörde als Traumabegutachtende
anerkannt sind. Siehe dazu Kapitel Zwei und Fünf.
Lejla- Das war 98. Weil jede sechs
Monate damals mussten wir zur
Ausländerbehörde gehen.
- Und weißt du noch, wie oft die dich
getroffen hat, damit sie dir etwas schreibt?
Lejla- Alleine war ich nur einmal bei ihr,
aber wir waren jeden Freitag da in der
Gruppe und das hat fünf oder sechs mal hat
sie mitgehört, sie hat zugehört, was ich
rede und so.
- Da gab’s auch eine Dolmetscherin in der
Gruppe?
Lejla- Ja, C war in dieser Gruppe.
- Die Frau, die dir das jetzt geschrieben
hat, das war zur gleichen Zeit deine
Gruppentherapeutin?
Lejla- Ja.
- Hat sie dann schon viel von dir gewusst
und erfahren, was du in der Gruppe
erzählt hast und sich auch notiert?
Lejla- Ja.
- Und dann hat sich dich noch einmal
alleine getroffen?
„Das [Aufschreiben] war so
schwer, das war so, dass ich so
eine Migräne, starke Migräne
gekriegt habe“
Lejla- Alleine getroffen und ich habe- Ich
selbst musste auch so meine Geschichte
aufschreiben.
- Das hast du selber aufgeschrieben.
Lejla- Ja.
- Auf Bosnisch?
Lejla- Auf Bosnisch, von Anfang an, wie
es gewesen ist.
- Also auch das, was vor dem Krieg war?
Lejla- Ja und die ganzen Erlebnisse dazu
und nach dem Moment wo die Beerdigung
war und so. Alles zusammen.
- Wie war das für dich, das zu schreiben?
Lejla- (Holt Luft) Das war so schwer. Das
hat erst länger gedauert, und dann, als ich
das mit der Zeit gesehen habe, dass ich das
jetzt abgeben muss, weil sie wollte das bis
zum nächsten Termin bei der
Ausländerbehörde haben. Das war so
schwer, das war so, dass ich so eine
Migräne, starke Migräne gekriegt habe,
und in dem Moment hatte ich das jeden
Monat zwei mal bis drei mal. Aber so
135