28.05.2013 Aufrufe

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Perspektive gegenüber einer eng gefassten klinisch- therapeutischen dar. Es wird nicht, wie<br />

das klinische PTSD- Konzept nahe legt, ausschließlich auf die Behandlung der Symptome<br />

eingegangen, sondern versucht, die Logik von Folter und anderen<br />

Menschenrechtsverletzungen in ihrem konkreten politisch- historischen Kontext zu verstehen,<br />

da sich insbesondere die Logik der Folter auch in der Kommunikation der Foltererfahrenen<br />

wiederfindet. Der Nachvollzug dieser Logik mache einen Umgang mit- und Unterstützung<br />

von Foltererfahrenen erst möglich (vgl. Birck 2002; Sironi 1997).<br />

In ihrer Eröffnungsrede einer BAFF- Fachtagung 2004 86 stellt Elise Bittenbinder,<br />

Koordinatorin des Dachverbandes der psychosozialen Zentren in Deutschland BAFF dar, dass<br />

in der Gründungszeit der Behandlungszentren für Flüchtlinge zu Beginn der 80er Jahre, die<br />

Gründungsmitglieder der Zentren kontrovers diskutierten, ob überhaupt der Begriff der<br />

Behandlung in der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen angemessen sei. Sie wollten sich<br />

nicht als Behandelnde sehen, sondern verstanden sich als Teil einer<br />

Menschenrechtsbewegung, welche die psychosoziale Unterstützung von Flüchtlingen im<br />

Kontext eines politischen Engagements sehen wollten. PTSD wurde seit Beginn kontrovers<br />

und kritisch diskutiert. In der Auseinandersetzung mit der NS- Zeit und Überlebenden der<br />

Verfolgung während der NS- Zeit, wurde unter PraktikerInnen der Flüchtlingsarbeit von<br />

Beginn an eine starke Kritik an den klinischen Klassifikationssystemen geäußert.<br />

Insbesondere Überlebende der NS- Verfolgung wehrten sich, denn sie wollten sich nicht mit<br />

der psychiatrischen Diagnose PTSD ‚überziehen lassen’, sondern die krankmachende<br />

Gesellschaft thematisieren.<br />

Dies änderte sich graduell seit Mitte der 90er Jahre, in denen die Begriffe Trauma,<br />

Traumatisierte und Traumaarbeit immer häufiger auch Teil des Selbstverständnisses der<br />

Zentren wurden 87 . Trauma hat Konjunktur bekommen, auch in der Flüchtlingsarbeit. Auch<br />

wenn von Anfang an eine kritische Distanz zu einer PTSD nach den klinischen<br />

Klassifikationssystemen bestand, ist heute eine Situation entstanden, in der die Betonung der<br />

Menschenrechtsarbeit zugunsten einer klinischen Sichtweise des Klientel als ‚Traumatisierte’<br />

immer mehr in den Hintergrund getreten ist (vgl. BAFF & XENION 2004).<br />

86 Protokolliert von der Verfasserin der <strong>Diplomarbeit</strong> auf der Fachtagung „Der Gutachtendisput. Flüchtlinge und<br />

Folteropfer im aktuellen rechtlichen Regelwerk“. Lübbenau bei Berlin 19.- 21. September 2004. Siehe BAFF &<br />

XENION 2004.<br />

87 Dies hängt auch damit zusammen, so vermutet die Verfasserin der <strong>Diplomarbeit</strong>, dass durch eine<br />

Selbstkonzeption als ‚Traumaprojekt’ das Erlangen von Projektgeldern von der Europäischen Union und<br />

anderen öffentlichen Förderern begünstigt wird. Außerdem mit einer gesellschaftlichen Atmosphäre in den 90er<br />

Jahren, wo im Zusammenhang mit dem Krieg in BiH und Kroatien auf ‚kriegstraumatisierte Flüchtlinge’<br />

öffentlich aufmerksam gemacht wurde. Offenkundig liegt es auch an den im Kapitel Zwei verhandelten<br />

Möglichkeiten, durch eine fachärztlich bzw. durch eine PsychotherapeutIn veranlasste Attestierung einer<br />

Traumatisierung Abschiebehindernisse geltend zu machen bzw. durch die Weisung der Innenministerkonferenz<br />

vom November 2000 einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen.<br />

63

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!