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Begutachtungen Hilfsinstrumente zur Entscheidungsfindung, durchgeführt von Personen, die<br />
Aufgrund ihrer Qualifikation Aussagen über Sachverhalte geben können, die ohne fachliches<br />
Wissen schwer zu bescheiden sind. Thomas Wehner formuliert die Entscheidungsfindung<br />
eines Einzelentscheiders des BAFl/ BAMF: „Nun liegt [...] die Schwierigkeit darin,<br />
diejenigen herauszufinden, die unseren Schutz verdienen, und damit ist in der Tat der zentrale<br />
Punkt die Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens und die der Glaubwürdigkeit des<br />
Antragstellers“ (Wehner 2003, S. 9). Der Verwaltungsrichter Ralph Riehl (2003) stellt den<br />
Sachverhalt aus seiner Sicht wie folgt dar:<br />
„Von Seiten der Juristen aus gesehen ist Krankheit [...] nicht ein zu behandelnder<br />
Zustand, sondern ein Sachverhalt, dessen Vorliegen oder nicht Vorliegen für eine<br />
rechtliche Entscheidung von Bedeutung ist. [...] In dem Kontext des Asylrechts [...]<br />
hier also im wesentlichen bei der PTBS, kann eine Krankheit ein Sachverhalt sein,<br />
der auf ein bestimmtes Geschehen im Heimatland hinweist. Insoweit dient hier eine<br />
Krankheit zur Glaubhaftmachung anderer Tatsachen. Dabei ist die Zuordnung der<br />
Krankheit zur Glaubhaftmachung zu einer Ursache üblicherweise nicht eindeutig“<br />
(ebd. S. 51).<br />
Dass die Begutachtung einer PTSD für Entscheidungstragende relevant sein kann, liegt<br />
nicht nur daran, dass dies eine psychiatrische Erkrankung ist, welche bei Flüchtlingen häufig<br />
diagnostiziert wird, sondern auch daran, dass mit dem Kriterium A des Diagnosebildes<br />
PTSD 109 in beiden klinischen Klassifikationssystemen ICD- 10 wie DSM- IV ein Ereignis<br />
von extremem Leid als Ursache für die Beschwerden eines Flüchtlings bestehen muss.<br />
„D.h. für mich, wenn es denn einen Sinn haben soll, muss die Diagnose eigentlich<br />
auch immer- so verstehe ich die Definition der Posttraumatischen Belastungsstörung<br />
in der ICD- 10- das Moment haben, [...] das, was als Ursache angegeben wird, das ist<br />
tatsächlich geschehen. Es muss ein traumatisierendes Ereignis da sein, das diese<br />
Angstzustände, Depressionen usw. hervorgerufen hat. Wenn aber dieses<br />
traumatisierende Geschehen überhaupt nicht feststeht, dann heißt das aber für mich,<br />
es liegen zwar Schlafstörungen, Angstzustände usw. vor, aber sie sind nicht durch<br />
ein traumatisierendes Ereignis entstanden. Die Diagnose PTBS kann aus meiner<br />
Sicht daher eigentlich nur gestellt werden, wenn die Ursache ebenfalls überprüft<br />
feststeht“ (ebd. S. 52).<br />
Dieses enge Verständnis führt dazu, dass nicht nur erwartet wird, dass das Vorliegen einer<br />
psychiatrischen Krankheit überprüft werden soll, sondern auch Aussagen darüber getroffen<br />
werden sollen, ob die vorgebrachte politische Verfolgung auch tatsächlich so stattgefunden<br />
hat. Der Oberverwaltungsrichter Wilke (2003) formuliert seine Erwartungen an eine<br />
Begutachtung wie folgt: „Wenn PTBS, dann politische Verfolgung [...]. Das T[rauma, K.R.]<br />
muss irgendwie feststellbar sein, denn ich will ja einen bestimmten Verfolgungsgehalt<br />
feststellen“ (Wilke 2003, S. 61). Die Diagnostizierung einer PTSD stellt insofern einen<br />
109 Siehe Kapitel Drei und Anhang Eins.<br />
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