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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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erichteten Erfahrungen von Folter, Lagerhaft, sexualisierter oder anderer Gewalt, um ihre<br />

KlientInnen im Vorbringen ihrer politischen Verfolgung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren<br />

zu unterstützen. PraktikerInnen kommen in ihren Bemühungen um eine gute Praxis nicht nur<br />

den Interessen des Klientels der Flüchtlinge nach. Sie handeln auch aus dem Selbstverständnis<br />

psychosozialer ExpertInnen, welche über die fachliche Kompetenz verfügen, eine PTSD zu<br />

erkennen und zu behandeln. Diese Beteiligung der PraktikerInnen wird von gesetzgebenden<br />

und entscheidungstragenden Instanzen aufgegriffen, welche in aufenthaltsrechtlichen Fragen<br />

bestimmend sind, jedoch wachsen die Anforderungen an die Professionalisierung und<br />

Standardisierung dieser Stellungnahmen.<br />

Die Berücksichtigung klinisch- fachlicher Expertisen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren<br />

bietet auch eine Grundlage für die Handlungserweiterung von PsychologInnen bzw.<br />

MedizinerInnen. Haben sie vorher in der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen wenig an der<br />

unsicheren Lebenssituation ihres Klientels ändern können und konnten sie lediglich<br />

‚psychologisierend’ mit den Auswirkungen der aktuellen belastenden und ausgegrenzten<br />

Lebenssituation als BehandlerInnen umgehen, eröffnet sich nun die Möglichkeit eines<br />

Eingreifens in die belastenden Lebensbedingungen von Flüchtlingen, da auf diese Weise aus<br />

einem geduldeten Aufenthaltsstatus ein Bleiberecht erwirkt werden kann.<br />

Die Diagnose PTSD kann als Korrektiv zu dekontextualisierten Vorstellungen und<br />

Klassifizierungen von psychiatrischen Erkrankungen und als Anerkennung von psychischen<br />

Leiden als Folge von extremer Gewalt verstanden werden. Die Einführung der PTSD in die<br />

klinischen Klassifikationssysteme DSM und ICD eröffnet eine rechtliche und<br />

gesellschaftliche Anerkennung, der eine Übernahme von Behandlungskosten,<br />

Versicherungsleistungen und Renten, sowie andere Entschädigungen folgen oder die<br />

rechtliche Anerkennung als Flüchtling bzw. der Schutz vor Abschiebung. Die PTSD stellt<br />

durchaus ein Erklärungsmodell für die Leiden- und eine Grundlage für die therapeutische<br />

Behandlung von Flüchtlingen dar, die sich aufgrund von psychischen Beschwerden an<br />

PraktikerInnen wenden. Häufig berichten Flüchtlinge PraktikerInnen von unterschiedlichen<br />

Formen des Wiedererlebens bestimmter Erlebnisse im Herkunftsland, von<br />

Vermeidungsverhalten, einer Abflachung der allgemeinen Reagibilität sowie einem<br />

anhaltenden erhöhten Erregungsniveau. Auch wenn unterschiedliche Einschätzungen zur<br />

Prävalenzrate der PTSD bei Flüchtlingen existieren, so sind sich doch fast alle ExpertInnen<br />

einig, dass sie angesichts von gehäuften Erfahrungen von Folter, Gefängnis, Haft,<br />

Lageraufenthalten, politischer und geschlechtsspezifischer Verfolgung, Verlust oder<br />

Trennung von Familienmitgliedern und FreundInnen, Krieg und Flucht etc. signifikant höher<br />

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