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Individuums. Der gesellschaftliche Umgang mit dem Leid der Opfer, seien es Unfallopfer,<br />

Frauen oder Kinder, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, oder Soldaten, die an den<br />

Kriegseinsätzen zusammengebrochen sind, drehte sich von Anfang an um Fragen wie:<br />

„Sollen die [...] traumatischen Geschehnisse, die ihren Mitgliedern zustoßen, zu<br />

gemeinsamen moralischen und finanziellen Verpflichtungen werden, oder sollen die<br />

Opfer verantwortlich gemacht und sich der Sorge um sich selbst überlassen werden?<br />

Haben Menschen das Recht, Unterstützung zu erwarten, wenn ihre eigenen<br />

Ressourcen nicht ausreichen, oder müssen sie mit ihrem Leid leben, ohne irgendeine<br />

Kompensation ihres Schmerzes erwarten zu dürfen? Werden Betreffende ermutigt,<br />

ihrem Schmerz Aufmerksamkeit zu schenken (und aus der Vergangenheit zu lernen)<br />

oder sollten sie die ‚steife Oberlippe’ kultivieren und von Reflexion der Bedeutung<br />

für ihre Erfahrungen absehen?“ (McFarlane & van der Kolk 2000 S. 52)<br />

3.1.1. Belastungen nach Zugunfällen und Belastungen von Soldaten. Psychisch oder<br />

organisch wirksam?<br />

Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich die Idee, dass traumatische Erlebnisse psychische<br />

Folgeerscheinungen nach sich ziehen können. So wurde in England von dem Arzt John Eric<br />

Erichsen im Jahre 1866 das Diagnosebild „railroad spine syndrome“ (van der Kolk et. al.<br />

2000c S. 72) als Folgeerkrankung von Eisenbahnunfällen beschrieben, welches sich aus<br />

„Angst, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, belastende[n]<br />

Träume[n], Irritierbarkeit und einer Vielzahl somatischer Erscheinungen“ (Liebermann et. al.<br />

2001, S.13) zusammensetze. Der Begriff spine- syndrome, also Rückenmark- Syndrom wurde<br />

deswegen gewählt, da all diese Symptome auf eine angenommene Rückenmarksschädigung<br />

durch Erschütterung aufgrund von Zugunfällen zurückgeführt wurden. Die in dieser Zeit<br />

schon diskutierte Krankheit der ‚Hysterie’ mit ganz ähnlich beschriebenen Symptomen,<br />

wollte Erichson aufgrund der Annahme, dass Hysterie nur bei Frauen vorkomme, in<br />

Abgrenzung zu einem „railroad spine syndrome“ (van der Kolk et. al. 2000c S. 72) verstanden<br />

wissen. 19 Jahre später postulierte sein Kollege Page psychologische ‚nervöse’ Ursachen<br />

dieser Reaktionen auf Zugunfälle „und kennzeichnete diese Symptome als ‚traumatische<br />

Hysterie’“ (Liebermann et. al. 2001, S. 14). Sich auf die Diskussion in England der<br />

Zugunfallopfer beziehend, verwendete Hermann Oppenheim im Jahre 1889 zum ersten Mal<br />

den Begriff der „Traumatischen Neurose“ (vgl. Liebermann et. al. 2001; Langkafel 2000 oder<br />

auch van der Kolk et. al. 2000c). Darin beschrieb Oppenheim „Desorientiertheit, Aphasie,<br />

Unfähigkeit zu stehen, sowie Schlafstörungen nach Eisenbahn- und Arbeitsunfällen“<br />

(Liebermann et. al. 2001, S. 14). Auch Oppenheim postulierte eine organische Ursache als<br />

Folge der Erschütterung während eines Unfalls. Trauma bedeutet auf altgriechisch Wunde<br />

oder Verletzung, welche zunächst ausnahmslos organisch verstanden wurde (vgl. Roche<br />

Lexikon Medizin 1987). Oppenheim nahm „funktionelle Probleme [als] durch subtile<br />

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