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Kapitel Acht- Munira<br />
8.1. Munira: „Wenn ein Mensch traumatisiert ist, egal woher der Mensch kommt, das<br />
sollte eigentlich keine Rolle spielen“<br />
Munira Avdic 156 ist 25 Jahre alt und gelernte Bürokauffrau. Mit 14 Jahren ist Munira<br />
gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem ein Jahr älteren Bruder aus dem südserbischen<br />
Sandžak über Belgrad nach Berlin geflohen. Munira lebt in Berlin als Flüchtling der 1 ½<br />
Generation. Auf der einen Seite ist sie konfrontiert mit den Verhältnissen als Tochter ihrer<br />
Eltern, welche die deutsche Sprache nur wenig erlernt haben, so musste sie als Mittlerin<br />
zwischen den Eltern und Schwiegereltern und den deutschen Behörden und ÄrztInnen<br />
fungieren. Auf der anderen Seite ist Munira selbst als Jugendliche nach Deutschland<br />
geflüchtet, musste lernen, in der deutschen Gesellschaft zu leben, mit allen sich daraus<br />
ergebenden Schwierigkeiten. Munira ist muslimischer Konfession, verheiratet und hat eine<br />
vierjährige Tochter. Sie kommt aus einer mittelgroßen Stadt im Sandžak an der heutigen<br />
Grenze zu BiH (Republika Srpska). Von dort sind viele ‚Muslime’ Mitte der `90er Jahre<br />
geflohen. Der Ehemann von Munira ist ein ‚Moslem’ aus Zentralbosnien, der Mitte der `90er<br />
Jahre gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder nach Berlin geflohen ist. Seit<br />
2001 hat Familie Avdic durch die Mutter von Muniras Ehemann einen gesicherten<br />
Aufenthaltsstatus in Deutschland in Form einer Aufenthaltsbefugnis. Dass der Ehemann von<br />
Munira bosnischer Staatsbürger ist und Munira serbisch- montenegrinische Staatsbürgerin, ist<br />
hier bedeutsam. Die Staatsbürgerschaft konstituiert, welcher Status als Flüchtling aus dem<br />
ehemaligen Jugoslawien in Deutschland eingenommen wird. Die Weisung der IMK vom<br />
November 2000 157 ermöglicht es lediglich Flüchtlingen bosnischer Staatsbürgerschaft, durch<br />
eine attestierte Traumatisierung eine Aufenthaltsbefugnis in Deutschland zu erlangen 158 .<br />
Die Interviewerin und Munira kennen sich seit 2001. Munira ist gemeinsam mit ihrer<br />
Mutter in eine therapeutische Gruppe für ‚traumatisierte’ Frauen aus dem ehemaligen<br />
Jugoslawien gegangen, in der die Interviewerin von 2001 bis 2004 engagiert war. Mit der Zeit<br />
freundeten sich Munira und die gleichaltrige Interviewerin an. Die Interviewerin fragte<br />
Munira, ob sie sich bereit erklären würde, sich mit ihr über die Begutachtung und ihr<br />
aufenthaltsrechtliches Verfahren zu unterhalten. Munira ist darüber informiert, dass die<br />
Interviewerin ihre <strong>Diplomarbeit</strong> schreibt und möchte ihr behilflich sein. Dem entsprechend ist<br />
ihre Motivation hoch, der Interviewerin kooperativ zu antworten. Die im Interview<br />
verhandelten Gegenstände waren in vorherigen privaten Gesprächen immer wieder Thema.<br />
156 Namen, Institutionen und Orte wurden anonymisiert.<br />
157 Dargestellt und diskutiert in Kapitel Zwei.<br />
158 Siehe hierzu Kapitel Zwei.<br />
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