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Vorurteile gegen Menschen aus dieser Region, fast unabhängig davon, welcher Konfession<br />
und Gruppe sie angehören. Menschen aus dem Sandžak seien laut, ‚primitiv’, ‚patriarchal’,<br />
‚bäuerlich’, ‚brutal’, ‚haben keine Kultur’. Diese Vorurteile und damit einhergehende<br />
Stigmatisierungen leben auch in der Flüchtlingscommunity in Deutschland weiter. Die<br />
Diskriminierung gegen Menschen aus dem Sandžak geht in der Community so weit, dass<br />
Munira ihren serbischen Dialekt und Tonfall abgelegt hat und wie die bosnischen Flüchtlinge<br />
spricht, so dass man es ihr nicht mehr anhört, wo sie herkommt. Auf der anderen Seite<br />
bedeutet, aus dem Sandžak zu kommen, in Deutschland eine benachteiligte rechtliche Position<br />
unter den Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien einzunehmen. Die Weisung der<br />
Innenministerkonferenz von 2000, die ‚traumatisierten’ bosnischen Flüchtlingen eine<br />
Aufenthaltsbefugnis ermöglicht, wenn sie bestimmte formale Kriterien einhalten und eine<br />
Traumatisierung mittels eines Gutachtens nachweisen können, gilt nicht für Menschen aus<br />
dem Sandžak 164 , auch wenn von keiner Seite angezweifelt wird, dass kriegerische Ereignisse<br />
im Sandžak während des Krieges in Bosnien und Hercegovina stattgefunden haben. Gerade in<br />
den heutigen Grenzstädten zwischen dem heutigen Bosnien und Hercegovina und Serbien,<br />
haben sich diese Ereignisse in Hausdurchsuchungen, Demütigungen und Überfällen<br />
insbesondere gegen ‚Muslime’ gezeigt. Viele haben auch in den benachbarten Städten, die<br />
heute zu Bosnien und Hercegovina (Republika Srpska) gehören, gelebt oder gearbeitet und<br />
dort den Krieg erlebt. Die Familie von Munira lebte in einer mittelgroßen verarmten<br />
ehemaligen Industriestadt, die an das heutige Bosnien und Hercegovina grenzt.<br />
Munira geht nicht so weit, das gesamte Traumakonzept oder die Regelung des IMK-<br />
Beschlusses insgesamt in Frage zu stellen. Die Anbindung von einem gesicherten Aufenthalt<br />
an eine fachlich diagnostizierte Traumatisierung wird nicht in Frage gestellt. So scheint es<br />
auch selbstverständlich, sich einer psychologischen Begutachtung zu unterziehen. Munira sagt<br />
einerseits, sie habe Angst, „zum Psychologen“ zu gehen. Zu der Begutachtung im<br />
Anerkennungsverfahren, in dem bescheinigt werden soll, dass Munira als Betreuungsperson<br />
für ihre Schwiegermutter fungiert, hat Munira sich andererseits ohne geäußerten Widerstand<br />
begeben. Dass die begutachtende Psychologin ihr eine zusätzlich Traumatisierung attestierte,<br />
ist nach rechtlicher Ausgangslage nicht erforderlich, da Munira als eine ‚Betreuungsperson’<br />
einer ‚traumatisierten’ Familienangehörigen eine Aufenthaltsbefugnis erlangen kann. Dass die<br />
Psychologin es trotzdem getan hat, scheint für Munira eine zugleich belastende als auch<br />
entlastende Funktion zu haben. Dass sie auch diese „Symptome“ attestiert bekommt, gibt ihr<br />
ein sicheres Gefühl, eine Berechtigung zu haben, in Deutschland bleiben zu dürfen.<br />
164 Siehe dazu Kapitel Zwei.<br />
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