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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Erkrankung (PTSD) erteilt wird und so eine politische Entscheidung auf eine psychologisch-<br />

fachliche verlagert wird. Die Grenze, auf die Munira mit dieser Regelung stößt, ist eine<br />

andere. Da Munira und ihre Herkunftsfamilie nicht im heutigen Bosnien und Hercegovina<br />

geboren sind, gilt für sie diese Regelung nicht. Munira versucht dies so zu lösen, indem sie<br />

die Logik der Traumaregelung nicht insgesamt in Frage stellt, sondern deren Ungerechtigkeit<br />

betont. („Das finde ich irgendwie doof, wenn ein Mensch traumatisiert ist, egal woher der<br />

Mensch kommt, das, das sollte eigentlich keine Rolle spielen.“)<br />

Durch die Heirat mit einem bosnischen Staatsbürger ist Munira selbst in die Kategorie von<br />

Familienangehörigen traumatisierter BosnierInnen gefallen. Im Ausnahmefall kann eine<br />

Aufenthaltsbefugnis für Familienangehörige von schwer Traumatisierten erteilt werden, wenn<br />

diese als Betreuungsperson fungieren. Dies gilt insbesondere für Kinder von jenen<br />

Flüchtlingen, die ohne Hilfe Anderer im Alltag nicht zurecht kommen. Bei Beantragung der<br />

Aufenthaltsbefugnis führte die Familie einen gemeinsamen Haushalt im Wohnheim. Wäre<br />

dies nicht so gewesen, hätten Munira und ihr Ehemann keine Aufenthaltsbefugnis als<br />

Betreuungspersonen bzw. Familienangehörige erhalten können 162 .<br />

Dass Munira als ‚Betreuerin’ ihrer Schwiegermutter fungiert, hat ihr eine Psychologin in<br />

einem Gutachten bescheinigt, auch dass Munira selbst ‚traumatisiert’ ist. („Und die Ärztin, äh<br />

Psychologin hat es mir auch bestätigt, dass es bei mir auch diese Symptome gegeben habt, die<br />

auch für ein Trauma deuten.“) Sie selbst ist so der- aus ihrer Sicht ungerechtfertigten-<br />

Ungleichbehandlung von StaatsbürgerInnen Bosnien und Hercegovinas und<br />

StaatsbürgerInnen Serbiens und Montenegros, bzw. sog. DoppelstaatlerInnen entgangen.<br />

Jedoch befinden sich ihre Eltern und ihr Bruder in der unmittelbaren Gefahr der Abschiebung.<br />

Die Regelung erscheint Munira und ihrer Herkunftsfamilie willkürlich. Munira thematisiert<br />

die rechtliche Benachteiligung der Flüchtlinge aus dem Sandžak.<br />

Der Sandžak ist eine von den modernen Zentren des ehemaligen Jugoslawien weitgehend<br />

abgeschnittene und verarmte Region. Der Sandžak ist gebirgig, zwar nur 300 Kilometer<br />

entfernt von der Hauptstadt Belgrad, die Straßen sind jedoch sehr schlecht. Es dauert fast eine<br />

Tagesreise, von Belgrad aus in den Sandžak zu gelangen. Dem entsprechend abgeschnitten<br />

von den Metropolen findet das Leben im Sandžak statt. Aus dem Sandžak zu kommen,<br />

bedeutet auf der einen Seite eine diskriminierte Position innerhalb von JugoslawInnen 163<br />

einzunehmen. Im ehemaligen Jugoslawien bestanden und bestehen heute noch starke<br />

162 Siehe Ausführungen zur IMK- Weisung vom November 2000, erläutert im Kapitel Zwei.<br />

163 Hiermit sind all jene gemeint, die BürgerInnen von Jugoslawien gewesen sind, auch wenn der Begriff heute<br />

keine faktische Grundlage mehr hat, soll mit dem Begriff JugoslawIn die gesellschaftlich geteilten Bedeutungen<br />

benannt werden.<br />

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