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operiert hätten. Es seien sehr viele gewesen, ihnen seien aber weder Statistiken noch sonstige<br />
Daten bekannt, die einen Überblick ermöglichen könnten. Die meisten Projekte hätte für<br />
höchstens zwei Jahre operiert, von außen sei nicht zu ersehen, welche Arbeit konkret gemacht<br />
worden sei, welche Methoden verwandt wurden und wie viele KlientInnen ‚behandelt’<br />
worden seien. Auch seien die meisten Projekte nicht nachhaltig gewesen. Lokale NGOs<br />
hätten so gut wie gar keine Strukturen zur Verfügung, auf die sie zurückgreifen könnten,<br />
nachdem sich die „Traumaindustrie“ (ebd. S. 22) auf andere (Nach-) Kriegsschauplätze wie<br />
Afghanistan oder Irak begeben habe. Auch gebe es keinen Beweis für die „Effektivität von<br />
Interventionen in ausländischen Kriegsgebieten, [um, K.R.] dort psychologische Hilfe in einer<br />
Notsituation als kurzfristige, technische ‚Reparatur’ anzubieten“ (ebd. S. 22).<br />
Im Kontext dieser Forschungsarbeit interessiert weniger die direkte Kritik von<br />
Summerfield an westliche Helfende, die in Krisengebiete reisen, um dort Projekte<br />
durchzuführen. Übertragungen seiner Kritik auf den Kontext der psychosozialen Arbeit mit<br />
Flüchtlingen in den westlichen Einwanderungsländern sind jedoch m.E. lohnenswert und<br />
nötig. Eine Pathologisierung von gesellschaftlich verursachtem Leid durch die Diagnose<br />
PTSD, sowie die Annahme, dass die Reaktionen auf starken Stress überall auf der Welt gleich<br />
zu beschreiben und zu bewerten sind, sollten kritisch hinterfragt werden. Genauso wie die<br />
ungeprüfte Annahme, dass ‚Kriegsflüchtlinge’ in der Mehrzahl psychotherapeutische Hilfe<br />
benötigen. Die Fassung von vulnerablen Gruppen bietet zwar eine Grundlage für einen<br />
besonderen Schutz von bspw. Alten und Kindern, birgt aber auch die Gefahr, diese Gruppen<br />
per se als gefährdet und krank anzunehmen und politische Lösungsmöglichkeiten aus den<br />
Augen zu verlieren. Die sechste und siebte Summerfieldsche These sind die einzigen, die sich<br />
nicht ohne Modifizierungen auf die Arbeit von Flüchtlingen im Aufnahmeland übertragen<br />
lassen. Die Annahme der Konfliktverhinderung durch therapeutische Intervention von<br />
Individuen ist auch im Flüchtlingsbereich relevant, jedoch im Aufnahmeland nicht so zentral,<br />
wie in einem Kontext, in dem westliche Hilfsprojekte in einem Land psychologische<br />
Traumaprojekte aufbauen und postulieren, dass dies Konflikte in der Nachkriegszeit<br />
verhindere. Die Annahme, dass Konflikte und zukünftige Kriege durch Psychotherapie<br />
verhindert oder eingegrenzt werden können, geht m.E. an den konkreten Problemen von<br />
Nachkriegsgesellschaften vorbei. Die Konkurrenz zwischen einheimischen Projekten und<br />
Konzepten, und westlichen Helfenden in der Aufnahmegesellschaft ist nicht groß, da<br />
Flüchtlinge gar nicht in der Machtposition sind, Gegenkonzepte gegen die therapeutische<br />
‚Traumaarbeit’ zu vertreten. „In dieser Hinsicht sind Flüchtlinge zwangsläufig im Nachteil“<br />
(ebd. S. 15).<br />
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