vollständige Diplomarbeit - Socialnet
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In der psychosozialen Arbeit werden von betroffenen Flüchtlingen nicht nur die<br />
Erinnerungen an schlimme Erlebnisse oder Beschwerden thematisiert, die mit Erlebnissen<br />
zusammenhängen, welche die KlientIn zur Flucht in ein anderes Land getrieben haben,<br />
sondern auch immer die aktuelle Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit durch Sondergesetze<br />
für Flüchtlinge. Auch eine „Atmosphäre des Unerwünschtseins“ (Wirtgen 1999, S. 2) im<br />
zwischenmenschlichen Umgang mit ‚Deutschen’, ein ungesicherter Aufenthaltsstatus, eine<br />
unerträgliche Wohnsituation, Residenzpflicht, Arbeitsverbot, Ausbildungsverbot, Armut usw.<br />
werden von den Betroffenen thematisiert (vgl. Becker 2002a; Becker 2002b; Birck 2002a;<br />
Koch & Schulze 1998; Rauchfuss 2005; Rössel- Cunovic 1999; Wirtgen 1999). Thematisiert<br />
wird von PraktikerInnen „dass bei uns Flüchtlinge ganz zentral und auf allen Ebenen [...] auf<br />
Ohnmacht und Nichtselbstbestimmung getrimmt werden.“ (Becker 2002, S.72).<br />
Auch die Situation im Herkunftsland ist nicht statisch stehen geblieben, seitdem sich die<br />
KlientIn in Kontakt mit den PraktikerInnen begeben hat. Teil der Aufgabenstellung der<br />
Berufspraxis ist somit auch immer die aktuelle Situation im Herkunftsland, seien es die<br />
großen politischen Verhältnisse, oder auch konkrete soziale Bezüge und/ oder Beziehungen<br />
zu Verwandten und/ oder Bekannten. Deren Lebenssituation spielt häufig eine große Rolle im<br />
Leben des Klientels. Es ist schwer zu trennen, welche Beschwerden durch welche<br />
Lebensereignisse verursacht sind. Rössel- Cunovic stellt fest, „die Verbesserung,<br />
Verschlechterung oder Chorinfizierung traumatisierter Flüchtlinge wurde deutlich von den<br />
sozialen und rechtlichen Lebensbedingungen im Aufnahmeland bestimmt“ (Rössel- Cunovic<br />
1999, S.143). Es erscheint naheliegend, dass eine verbesserte, gesichertere und weniger<br />
marginalisierte Lebenssituation in Deutschland die Situation für eine große Anzahl von<br />
Flüchtlingen verbessern würde und viele KlientInnen in ihren Kontakten mit PraktikerInnen<br />
häufig über ihre Beschwerden durch und Probleme mit ihren schwierigen Lebenslagen in<br />
Deutschland sprechen möchten.<br />
Die Behandlung ‚Traumatisierter’ soll in einem sicheren Kontext stattfinden (vgl. Herman<br />
1994; van der Kolk et. al. 2000a; Koch & Schulze 1998; Rössel- Cunovic 1999; Rüffer et. al.<br />
2003; AGAH 2004; Birck 2002a), der ist aber meist angesichts der Lebenssituation von<br />
Flüchtlingen nicht gegeben. So sind die PraktikerInnen andauernd mit der schwierigen<br />
insbesondere aufenthaltsrechtlichen Lage des Klientels konfrontiert und mit den vielen<br />
darüber hinaus geltenden Benachteiligungen. Deshalb stellt auch politisches und fachliches<br />
Engagement einen Teil der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen dar. Die schwierigen<br />
Lebensbedingungen von Flüchtlingen sollen öffentlich gemacht werden. Mit<br />
unterschiedlichen Strategien wird versucht, die restriktiven Bestimmungen und Bedingungen<br />
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