vollständige Diplomarbeit - Socialnet
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All diese Prämissen weist Summerfield als nicht ausreichend untersucht bzw.<br />
nachgewiesen zurück und stellt die praktizierte ‚Traumaarbeit’ als solche in Frage. Die<br />
Annahme einer Traumatisierung als ein „durch Krieg verursachtes psychologisches<br />
Geschehen“ (ebd. 1997, S. 11), welches krank mache, sei eine enge, pathologisierende<br />
Verallgemeinerung. Dass Kriege „Schmerz oder Leiden“ (ebd. S. 12) verursache, bedeute<br />
nicht, dass diese Leiden auch psychiatrische Störungen bei den meisten Kriegserfahrenen<br />
auslösten. Den Blick darauf gerichtet, wer die Definitionsmacht über die Bewertung der<br />
Leiden durch Krieg und Flucht und des Umgangs mit diesen hat, stellt Summerfield fest, dass<br />
sich die internationale Traumaarbeit in einem neokolonialen Kontext aufhält, in dem<br />
westliche ExpertInnen die Problemlagen von Anderen sowie deren Behandlung definieren.<br />
Summerfield setzt ähnlich wie Becker dagegen, Trauma solle nicht als ein „auf das<br />
Individuum konzentriertes Ereignis“ (ebd. S. 13) betrachtet werden, sondern der spezifische<br />
sozial- politische Kontext sei dafür entscheidend, welche Lösungen gefunden werden sollen<br />
(vgl. ebd. S. 17). Bezugspunkte müssten die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen sein.<br />
Hilfe von westlichen Helfenden, auch in der Flüchtlingsarbeit im Aufnahmeland, solle- wenn<br />
überhaupt- nur im Rahmen von ‚Enpowerment’ erfolgen. Die vergleichsweise ohnmächtigen<br />
Flüchtlinge sollten ermächtigt werden, selbst zu definieren, was ihnen hilft.<br />
Auch wenn der hier referierte Artikel Summerfields nun schon acht Jahre alt ist, hat seine<br />
Kritik an der ‚Traumaindustrie’ keineswegs an Aktualität verloren. Im Gegenteil hat sich das<br />
psychologische ‚Hilfsbusiness’ in sog. internationalen Krisengebieten der sog. dritten Welt<br />
weiter ausgeweitet und etabliert (vgl. Becker 2002). Die von Summerfield angesprochenen<br />
Defizite in den von ihm explizierten Prämissen, sind noch nicht in Frage gestellt worden,<br />
geschweige denn behoben. Summerfield spricht von Bosnien und Hercegovina und Ruanda,<br />
als die Orte, an denen das ‚Trauma- Business’ besonders aktiv war. Die heutige Situation<br />
sieht m.E. ähnlich aus im Kosovo, Afghanistan, Irak und ganz aktuell im neuen ‚Krisengebiet’<br />
Südostasien. Ähnlich wie für andere ‚Krisenhilfen’ stellt es ein zusätzliches Problem dar, dass<br />
die ‚Eingreiftruppe Seele’ in aktuellere Krisengebiete weiterwandert und Projekte ohne<br />
Nachhaltigkeit durchführt. Summerfield stellt fest, dass bisher nur wenige „seriöse<br />
Evaluierungen psychologischer Interventionen und sogenannter ‚Traumaarbeit’ veröffentlicht<br />
wurden“ (Summerfield, 1997, S. 21). Dies scheint auch heute noch zu gelten. Auf einer<br />
Evaluationsreise der gesundheitlichen Versorgung im Kosovo und Serbien 83 , an der auch die<br />
Verfasserin dieser <strong>Diplomarbeit</strong> teilgenommen hat, teilten lokale NGOs in Kosovo der<br />
Delegation mit, sie wüssten nicht, wie viele westliche ‚Traumaprojekte’ im Kosovo seit 1999<br />
83 Siehe Appell für eine Berliner Bleiberechtsregelung für Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien<br />
(2004c).<br />
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