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konstruieren“ (Becker 2002a, S.72). Der Begriff Flüchtling ist in der Mehrheitsgesellschaft<br />
der BRD eher negativ besetzt, „sie bleiben zu lange hier, wir müssen die Zuwanderung regeln,<br />
wir müssen aufpassen“ (ebd., S. 73).<br />
Wenn im Rahmen dieser Forschungsarbeit der Begriff Flüchtling verwendet wird, soll<br />
dies abgegrenzt zu Negativkonstruktionen erfolgen. Ein gewisses Unbehagen mit dem Begriff<br />
ist nicht zu verneinen. Es wird versucht, ihn in den Kontexten zu benutzen, in denen eine<br />
rechtliche oder institutionelle Bedeutsamkeit dies rechtfertigt. Da die rechtlichen und<br />
institutionellen Dimensionen einen großen Raum in dieser Forschungsarbeit einnehmen, wird<br />
auch der Begriff Flüchtling häufig verwendet. Eine Ausblendung des Begriffes scheint wenig<br />
hilfreich, da die unterschiedlichen Diskriminierungen und gesellschaftlichen Ausschlüsse in<br />
der hiesigen Aufnahmegesellschaft damit keineswegs aus der Welt geschafft werden. Auch<br />
kann die Bezeichnung von Menschen als Flüchtling helfen „spezielle Verluste, die sie erlitten<br />
haben, Probleme und Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, zu erfassen,<br />
anzuerkennen, zu würdigen und von diesem Punkt aus Handlungsperspektiven zu entwickeln“<br />
(Hemmerling 2002, S. 15). Im Konkreten soll dagegen von den Interviewten gelernt werden,<br />
die den Begriff des Flüchtlings für sich selbst und ihr Umfeld ablehnen, zugunsten anderer<br />
Begriffe für sich als Menschen, Leute, BosnierInnen etc. 16 . Die subjektive Bedeutung, ein<br />
Flüchtling in der BRD zu sein, fasst eine Frau aus Bijeljina, BiH wie folgt zusammen:<br />
„Flüchtling sein heißt niemand sein; keinen Beruf und keinen Titel zu haben, nichts<br />
zu können und nicht gebraucht zu werden, auf nichts hoffen zu dürfen und für alles<br />
dankbar sein zu müssen. Dem Flüchtling ist alles zuzumuten, denn alles ist besser als<br />
die Situation, aus der er sich gerettet hat. (I. aus Bijeljina)“ (südost Europa Kultur<br />
e.V. 1998, S. 6).<br />
Die Lebensrealitäten, die hinter solchen Aussagen stecken, lassen sich durch einen<br />
sensibleren Sprachgebrauch im Umgang miteinander nicht aus der Welt schaffen. Doch ist<br />
eine Bewusstmachung der entindividualisierenden Sprache wenigstens etwas. Hier soll das<br />
‚Flüchtling- sein’ als eine durchaus einschneidende Zugehörigkeit der betreffenden Subjekte<br />
gefasst werden, aber andere Zugehörigkeiten wie Geschlecht, Beruf, soziale Herkunft,<br />
nationales und ethnisches Zugehörigkeitsgefühl, Schwester, Tochter, Freundin usw. sollen<br />
nicht vernachlässigt werden. Bevor auf die aufenthaltsrechtlichen Entwicklungen seit Ankunft<br />
bosnischer Flüchtlinge in der BRD eingegangen wird, werden die unterschiedlichen auf die<br />
Gruppe der bosnischen Flüchtlinge angewendeten Aufenthaltstitel vorgestellt.<br />
2.2. Aufenthaltstitel der Flüchtlinge aus Bosnien und Hercegovina<br />
16 Siehe die Interviews mit Lejla, Munira und Katarina und deren Auswertung Kapitel Sieben, Acht und Neun.<br />
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