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nach Katarinas Gesprächsleitfaden, den sie sich nahezu selbst setzt, die Rekonstruktion der<br />
Behandlungskontexte ihrer Beschwerden den größten Raum im Interview ein. Auf die sehr<br />
allgemeine Frage, wann sie das erste mal zum Arzt gegangen ist, steigt Katarina sogleich in<br />
eine ausführliche Erzählung ein. Sie habe sich „einfach schlecht gefühlt“, Schlafstörungen<br />
gehabt, stark abgenommen, sich unwohl gefühlt. Erst sei sie „zu einem Internist“ gegangen.<br />
Die Internistin konnte aber nichts körperliches feststellen. Diese habe sie zu einem Urologen<br />
verwiesen, der eine Nierenentzündung feststellte und diese behandelte. Auch danach sei es ihr<br />
aber nicht besser gegangen. Katarina äußert eine Ferne zur- und ein Unbehagen gegenüber der<br />
Vorstellung, dass psychische Leiden körperliche Leiden hervorbringen können. („Ich dachte,<br />
mir ist schlecht, irgendwas, aber ich wusste nicht, dass das, diese, diese, dass das alles von<br />
den Nerven ist.“; „Ich habe mich nie damit beschäftigt, dass das wenn man Schmerzen hat<br />
oder wenn man Herzrasen hat oder so was, dass das auch von den Nerven kommen kann.“)<br />
Sie mochte damals ihre Beschwerden auch nicht so deuten. Heute hat sie mit ihrer Akzeptanz,<br />
sich selbst als ‚traumatisiert’ zu sehen, auch diese Vorstellung angenommen. Da auch der<br />
Urologe keine organische Ursache für ihre Beschwerden fand, schickte er sie in ein<br />
Krankenhaus. Dort habe jede r gesagt, „das ist seelisch“. Das habe sie beunruhigt, verwirrt<br />
und ihr Angst gemacht, da sie mit „seelisch“ Geisteskrankheit und Verrücktheit in<br />
Verbindung brachte („Hat mir dann wirklich noch mehr Angst gemacht vor diesem Wort<br />
seelisch, Trauma.“ ; „Ich habe gedacht, Nerven, man ist nicht so, (macht eine<br />
Handbewegung vor dem Kopf hin und her), nicht so richtig im Kopf“) Zwei bis drei mal<br />
danach habe sie sich nachts wegen „überall Schmerzen“ ins Krankenhaus begeben müssen.<br />
Es schien allen ÄrztInnen schnell klar zu sein, dass ihre Beschwerden vom Krieg<br />
verursacht sind. Katarina wollte sich aufgrund ihrer (körperlichen) Beschwerden behandeln<br />
lassen. Sie erfuhr aber immer wieder Zurückweisungen („Sie sind nicht für uns“ ; „Sagte sie,<br />
sie kann nichts machen“ ; „Bei ihnen steht nichts organisch fest“). Ihre Beschwerden werden<br />
von den Professionellen regelmäßig auf ihre Kriegserfahrung zurückgeführt, sobald sie oder<br />
ihre Schwägerin ausdrücken, dass sie aus BiH kommt. („Immer wenn ich bei einem Arzt<br />
gewesen bin, hat jeder gesagt, das ist seelisch.“ ; „Die fragen immer, woher komme ich, aus<br />
welchem Land und dann immer, wenn ich gesagt habe aus Bosnien, dann ham die immer<br />
gesagt, ja, das ist Krieg, Trauma, so seelisch, aber ich hatte früher nie, nie mit dieser Sache,<br />
also, ich weiß nicht.“) So blieb ihr bei ‚normalen’ ÄrztInnen eine Behandlung verschlossen,<br />
aber sie wollte auch zunächst noch keine NeurologIn oder PsychologIn aufsuchen. Erst später<br />
habe sie „das erste mal einen Neuropsychiater aufgesucht“. Auch er führte ihre Beschwerden<br />
ohne lange Gespräche auf „Trauma“ zurück („dann sagte er, das ist Trauma vom Krieg“).<br />
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