Ein compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen
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204 4. Kommentar<br />
4.4 Beschwörung 4<br />
4.4.1 Allgemeines<br />
Diese Beschwörung sieht die Verwendung eines Ziegenbockes als Substitut vor. Seine Wirksamkeit<br />
als Ritualmittel wird in Z. 9–14 konstituiert. Anschließend teilt Enki/Ea ”<br />
dem Weisen“<br />
mit, wie das Substitut im Ritual zu verwenden ist (Z. 15–18). 44 Die in Z. 17/18 zunächst pauschal<br />
formulierte Gleichsetzung des Substituts mit dem Menschen wird in Z. 19–44 im einzelnen<br />
ausgeführt, so daß die Entsprechung der einzelnen Körperteile des Tieres mit denen des<br />
Menschen im Ritual nachvollziehbar wird. In § 3, in dem ein Ferkel als Ersatztier dient, wird<br />
verlangt, daß dieses ”<br />
aufgeteilt“ und auf den Menschen aufgelegt wird. 45 Mir scheint sicher,<br />
daß auch der vorliegende Text eben dieses Zerteilen des Tieres meint. Allerdings benutzt § 4<br />
nicht die sprachlichen Formen des Marduk-Ea-Typs, sondern er beschreibt die Vorgehensweise<br />
einfach durch die ausführliche Aufzählung der möglichen Entsprechungen zwischen Substitut<br />
und Mensch.<br />
Typologisch ist der Text schwer einzuordnen. Falkenstein zählte ihn zu den Nebenbildungen<br />
des Marduk-Ea-Typs, 46 konnte dabei jedoch nur von den in Thompson, CT 17, 6 und K.4883<br />
enthaltenen Anfangspassagen ausgehen. 47 Wie wir jetzt, nach der Vervollständigung des Textes,<br />
sehen können, fehlt die Marduk-Ea-Formel gänzlich. Vielmehr wird das Ritualmittel durch<br />
Enki/Ea allein eingesetzt. Dieser Umstand und die Tatsache, daß die Reinigung eines Kranken<br />
Ziel dieses Rituals ist, erlauben es, diese Beschwörung dem ”<br />
Enki-Typ“ zuzuordnen, der in<br />
der <strong>Ein</strong>leitung besprochen wurde. 48 Dieser Zusammenhang ist umso wahrscheinlicher, als der<br />
Schluß des Textes in zwei abweichenden Formulierungen vorliegt: In der älteren Fassung findet<br />
sich eine kurze Ritualanweisung und ein Schlußthema. 49 Dieses steht in den Zeilen 44d–f den<br />
älteren Formulierungen des Marduk-Ea-Typs nahe, 50 doch dann wird in Z. 44g–h dem Menschen<br />
die ständige Anwesenheit der guten Genien gewünscht. Die Annahme Falkensteins, daß<br />
diese Formulierung nur in den jüngeren <strong>Beschwörungen</strong> des Marduk-Ea-Typs auftritt, 51 wird<br />
nun durch Exemplar s revidiert, das ja ein höheres Alter hat. 52<br />
Wenn hier Ritualanweisung und Schlußthema des Marduk-Ea-Typs in einer Beschwörung<br />
auftauchen, die keinerlei Bezug auf Asalluh˘i/Marduk nimmt, so darf daraus nicht geschlossen<br />
werden, diese Elemente seien sekundär in den Text von Exemplar s aufgenommen worden, etwa<br />
als Angleichung an den Marduk-Ea-Typ. Vielmehr dürften sie tatsächlich ein Bestandteil<br />
der Enki-Rituale gewesen sein, zumal sie funktional zum übrigen Aufbau des Textes passen.<br />
Dafür spricht besonders die Beobachtung, daß in der jüngeren Fassung Z. 43 an die vorhergehenden<br />
Zeilen angeglichen wurde 53 und daß weiter die übrigen Ritualanweisungen wegfielen,<br />
44 Vgl. unten, Kommentar zu Z. 15/16.<br />
45 § 3 : 52–55 (so nach der akkadischen Version).<br />
46 LSS NF 1, S. 68.<br />
47 K.4883 gehört jetzt zu Exemplar A 6 .<br />
48 S. oben S. 17 ff. und vgl. auch den Kommentar zu § 9 unten S. 227 ff.<br />
49 Die ältere Fassung wird vertreten durch Exemplar s, das wohl aus der spätaltbabylonischen Zeit stammt.<br />
Ritualanweisung: Exemplar s, Z. 43 und Z. 44a–c.<br />
Schlußthema: Exemplar s, Z. 44d–h.<br />
50 Vgl. Falkenstein, LSS NF 1, S. 63 f.<br />
51 LSS NF 1, S. 62 und S. 65.<br />
52 Vgl. dazu auch die im Kommentar zu § 1 : 76–77 genannten Stellen aus altbabylonischen <strong>Beschwörungen</strong>.<br />
53 Beachte vor allem ba-an-šúm statt ù-mu-e-šúm in Exemplar s (Z. 43)!