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Ein compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen

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4.5. Beschwörung 5 211<br />

Aber auch außerhalb der magischen Rituale finden sich Hinweise auf dieses Handlungsmotiv. 74<br />

Man kann also festhalten, daß die beiden oben vorgestellten Texte zwar mit denselben Anfangszeilen<br />

beginnen, dann jedoch, ihrem unterschiedlichen Zweck folgend, voneinander abweichen.<br />

Im ersten Fall begleitet die Freilassung des Vogels eine an Šamaš gerichtete Bitte<br />

um Leben und ist eine Analogiehandlung, im zweiten Fall ist sie jedoch eine Maßnahme zur<br />

Elimination eines Übels.<br />

Welche dieser beiden Funktionen, die die Freilassung eines Vogels haben kann, im Ritual<br />

von § 5 vorherrscht, dürfte nun leicht zu entscheiden sein: Es ist auch hier eine eliminatorische<br />

Funktion, wie in der zweiten der oben besprochenen <strong>Beschwörungen</strong>, da die Taube als Mittel<br />

gegen den Dämonen eingesetzt wird und nicht in Beziehung zur Person des Kranken steht.<br />

Dieser Auffassung entspricht § 5 : 12–15: 75 Der Vogel des Himmels, die Taube des Himmels,<br />

ist der Beschwörungspriester, der Seher Enkis!“<br />

”<br />

Die Aussage ist der Beschwörungspriester“ impliziert die Befähigung, Dämonen zu vertreiben<br />

und gibt somit die Funktion der Taube an. Daß sie hingegen auch als Seher“ (máš-šu-<br />

”<br />

”<br />

gíd-gíd, akkadisch bārû) bezeichnet wird, ist meines Wissens eine einzigartige Benennung für<br />

ein Ritualmittel. Sie kann – nach dem oben Gesagten – nicht aus der Funktion oder der Struktur<br />

des Rituals erklärt werden. Wahrscheinlich steht das Wort bārû in inhaltlichem Zusammenhang<br />

mit Z. 20–23 in der Fassung von Exemplar C 2 (aus Sultantepe). An dieser Stelle ist nämlich erkennbar,<br />

daß der Ninive-Text A 5 eine andere Anweisung über die Flugrichtung des Vogels gab.<br />

Leider ist eine schlüssige Ergänzung nicht möglich. Deshalb läßt sich nur vermuten, daß in der<br />

Sultantepe-Fassung die magische Funktion der Taube umgedeutet wurde, und zwar in Richtung<br />

auf ein Vorzeichen durch den Vogelflug. Hierfür spricht vor allem der Gebrauch von šumma<br />

” wenn“76 in Z. 20/22. Dies ist eine für die Omenliteratur typische sprachliche Formulierung,<br />

die an unserer Stelle freilich mit Z. 24 als Nachsatz (Apodosis) verbunden werden müßte 77 .<br />

Diese Zeile ist jedoch, wie bereits anfangs beschrieben, ein fester Bestandteil des Marduk-Ea-<br />

Typs, somit also Teil des zugrundeliegenden Beschwörungsrituals. Das Wort máš-šu-gíd-gíd<br />

(akkadisch bārû) in Z. 14 f. und die ebenfalls auf die Omenliteratur verweisende Formulierung<br />

von Z. 20–23 in C 2 stellen meiner Ansicht nach einen Versuch dar, das ursprünglich rein magische<br />

Ritual so umzuformen, daß eine prognostische Aussage über das Schicksal des Kranken<br />

ermöglicht oder gar herbeigeführt wird.<br />

4.5.2 Bemerkungen zum Text<br />

1–4) Namtar, dessen Name in Exemplar C 2 durchgehend mit dem Götterdeterminativ geschrieben<br />

ist, wird hier als Unterweltsgottheit vorgestellt, wirkt jedoch in Z. 5/6 als Krankheitsdämon.<br />

Diese beiden Aspekte Namtars sind zwar gut belegt (s. CAD N/I 247–249), jedoch<br />

werden sie sonst nicht innerhalb eines Textes angesprochen.<br />

Zu der Vorstellung, die Dämonen seien Boten (oder, wie hier, Kuriere) der Götter, s. unten<br />

S. 214, Kommentar zu § 6 : 9/10 und Geller, AfO 35, 8 Z. 3 (Namtar als Bote der Ereškigal).<br />

Für irigal (urugal) ‖ qabru s. CAD Q 17 f., insbesondere S. 18b sub c) sowie Tallqvist, StOr<br />

74 Vgl. Knudsen, Iraq 27 (1965) 169 zu 66–69 und Mayer, StPSM 5, S. 262, Abs. 3, unter Fisch und Vogel“ für<br />

”<br />

entsprechende Stellen.<br />

75 Die Richtigkeit der Übersetzung vorausgesetzt; s. die Bemerkungen unten im Kommentar zu Z. 14/15.<br />

76 Sumerisch tukumbi gehört wohl nicht zum ursprünglichen Text.<br />

77 Jedenfalls in C 2 , vgl. die Übersetzung.

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