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Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

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119<br />

ein Mann, der weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens hat, etwa<br />

70 Jahre alt wird, während ein Mann, der mehr als 150 Prozent des durchschnittlichen<br />

Einkommens hat, also ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen, etwa 81<br />

Jahre alt wird. Das sind etwa elf Jahre Unterschied. Bei den Frauen ist der Unterschied<br />

etwas geringer.<br />

Was mich immer frappiert – das zeigt sich auch in anderen Ländern −, ist, dass wir<br />

hier nicht nur Unterschiede haben zwischen denjenigen, die besonders wenig Einkommen<br />

haben, und denjenigen, die möglicherweise besonders viel Einkommen haben,<br />

sondern wir haben im Prinzip eine Differenzierung, die sich durch das gesamte<br />

Einkommensspektrum zieht. Jemand, der bereits ein überdurchschnittliches Einkommen<br />

hat, lebt möglicherweise kürzer als jemand, der noch mehr Einkommen hat.<br />

Wir nennen dies den sozialen Gradienten. Das heißt, es besteht ein linearer Zusammenhang<br />

zwischen Einkommen und Lebenserwartung.<br />

Solche gesundheitlichen Ungleichheiten sind keineswegs auf Deutschland beschränkt.<br />

Wir finden sie in fast allen Ländern, aber auch zwischen Ländern und Regionen.<br />

2008 gab es mehrere Bemühungen, dies abzubilden. Sie sehen auf dieser<br />

Folie die erhöhten Risiken von Männern, wie sie sich in den verschiedenen Ländern<br />

darstellen, wenn diese Männer über eine niedrige Bildung verfügen. Sie sehen, dass<br />

in allen Ländern die Balken nach oben gehen, also erhöhte Mortalitätsrisiken bestehen.<br />

Besonders ausgeprägt ist dies in den osteuropäischen Ländern.<br />

Nach einem Gutachten der WHO aus dem Jahr 2008 beträgt die Lebenserwartung<br />

von Männern in Afghanistan 45 Jahre, in Indien 62 Jahre. Ein Mann in Glasgow<br />

kann, je nachdem in welchem Stadtteil er lebt, eine sehr unterschiedliche Lebenserwartung<br />

haben. So hat ein Mann im Stadtteil Calton eine durchschnittliche Lebenserwartung<br />

von 54 Jahren, im Stadtteil Lenzie eine Lebenserwartung von 82 Jahren.<br />

Ein Mann in Calton hat insofern eine geringere Lebenserwartung als ein Mann in Indien,<br />

wo ein Mann im Durchschnitt etwa 2 Euro pro Tag zur Verfügung hat, um sein<br />

Leben zu gestalten. Die Distanz zwischen Calton und Lenzie beträgt nicht einmal<br />

8 Meilen. Das heißt, man verliert auf 8 Meilen fast 30 Prozent der Lebenserwartung.<br />

Für welche Erkrankungen ist das besonders gut nachgewiesen? Das gilt vor allem<br />

für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für chronische Lebererkrankungen, chronische<br />

Lungenerkrankungen und Diabetes.<br />

Gesundheitliche Ungleichheiten lassen sich in allen Lebensphasen zeigen, vom Beginn<br />

des Lebens bis ins hohe Alter. Schon bei Kleinstkindern sind die gesundheitlichen<br />

Einflussfaktoren je nach Einkommen unterschiedlich. Zum Teil gilt das auch für<br />

die Zeit vor der Geburt. Sie sehen auf der Folie die vom Einkommen abhängigen<br />

Prozentzahlen im Hinblick auf das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft,<br />

im Hinblick darauf, dass das Kind nie voll gestillt wurde, und in Bezug auf die<br />

Tatsache, dass nicht alle U-Untersuchungen wahrgenommen wurden.<br />

Nach einer ökologischen Studie aus dem Vorjahr kann man ersehen – hier werden<br />

nicht Personen, sondern Länder verglichen −, dass es einen systematischen Zusammenhang<br />

gibt zwischen dem Anteil der Haushalte, denen grundlegende Güter<br />

und Besitztümer fehlen, und der Mortalitätsrate bei Kindern unter fünf Jahren. Je höher<br />

der Anteil der Haushalte ist, in denen grundlegende Güter fehlen, desto höher ist<br />

die Mortalität unter den Kleinkindern.<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, Vormittag, 29.05.2013

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