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Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

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Das ist insbesondere in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen relativ eindrücklich<br />

und auch konsistent nachgewiesen worden. Sie sehen an den Terzilen, also der 30-<br />

Prozent-Grenze bei den jeweiligen Belastungen, dass Arbeitnehmer, die solchen Belastungen<br />

ausgesetzt sind, 2- bis 2,5-fach erhöhte Risiken haben, in einem Zeitraum<br />

von fast 26 Jahren an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Diese Studie ist<br />

zwar schon etwas älter, aber sie ist besonders eindrücklich, weil der Beobachtungszeitraum<br />

von fast 26 Jahren sehr selten ist.<br />

Eine dritte Erklärung ist, dass möglicherweise das Versorgungssystem, also der Zugang,<br />

die Inanspruchnahme oder auch die Qualität der Versorgung, zu den gesundheitlichen<br />

Ungleichheiten beiträgt. Es sind in den letzten Jahren mehrere Übersichtsarbeiten<br />

erschienen, die deutlich zu machen versucht haben, welche Versorgungsungleichheiten<br />

es in Deutschland eigentlich gibt. Es lassen sich ganz ohne Zweifel<br />

Versorgungsungleichheiten im Zugang, in der Inanspruchnahme und in der Qualität<br />

in unterschiedlichen Versorgungsbereichen beobachten. Allerdings ist die Forschung<br />

nicht besonders stark, weil wir im Moment relativ wenige systematische Untersuchungen<br />

haben. Das sieht man daran, dass wir am häufigsten bei der Inanspruchnahme<br />

Studien haben, die darauf hindeuten, vor allem im Bereich der Prävention. Es<br />

gibt Untersuchungen seltener beim Zugang und noch seltener im Bereich der Qualität.<br />

Dabei zeigt sich, dass häufig – aber nicht immer – diese Versorgungsungleichheiten<br />

zu Ungunsten von Personen mit niedrigem sozialen Status ausfallen.<br />

Wenn man feststellt, dass es hier Unterschiede gibt, sagt man noch relativ wenig<br />

darüber aus, inwieweit solche Ungleichheiten dazu beitragen, die Unterschiede bei<br />

der Lebenserwartung oder bei der Morbidität zu erklären. Ohne Zweifel trägt die medizinische<br />

Versorgung zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit bei. Aber verallgemeinerbare<br />

Aussagen <strong>zum</strong> Umfang des Erklärungsbeitrags sind zurzeit in<br />

Deutschland eigentlich nicht möglich. Es ist davon auszugehen, dass dieser Beitrag<br />

eher über- als unterschätzt wird.<br />

Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich aus dem, was ich Ihnen deutlich zu<br />

machen versucht habe? Die größten Konsequenzen liegen ganz ohne Zweifel im<br />

Bereich der Prävention und der Gesundheitsförderung. Herr Professor Montgomery<br />

hat bereits angedeutet, dass besonders im Bereich von Prävention und Gesundheitsförderung<br />

am ehesten die Möglichkeiten gegeben sind, die Unterschiede zu minimieren<br />

oder zu reduzieren. Dabei gilt es, das „inverse prevention law“ zu bedenken. Wir<br />

wissen, dass diejenigen, die möglicherweise den höchsten Bedarf an Prävention und<br />

Gesundheitsförderung haben, häufig nicht diejenigen sind, die solche Angebote tatsächlich<br />

auch in Anspruch nehmen. Das gilt ganz explizit auch für die unteren Einkommensgruppen.<br />

Insofern haben wir in den letzten Jahren immer wieder beobachten müssen, dass<br />

Prävention und Gesundheitsförderung auch zu einer Verschärfung von Ungleichheiten<br />

beitragen können, weil nämlich diejenigen, die wir eigentlich erreichen wollen,<br />

häufig gar nicht diejenigen sind, die solche Angebote in Anspruch nehmen.<br />

Aus meiner Sicht ist die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten eine der zentralen<br />

politischen und gesellschaftlichen Aufgaben, die über die Zuständigkeit ärztlichen<br />

Handelns hinausgehen, die, wie ich sogar sagen möchte, auch über die Zuständigkeit<br />

gesundheitspolitischen Handelns hinausgehen und ganz unterschiedliche<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, Vormittag, 29.05.2013

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