29.01.2014 Aufrufe

Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

348<br />

Ein kurzes Beispiel zur Priorisierung bzw. Rationierung aus der Praxis: Ich erlebe als<br />

Hausarzt momentan, dass immer mehr Patienten aus den Krankenhäusern mit Neuerkrankungen<br />

entlassen werden, beispielsweise beim Vorhofflimmern. Sie sagen mir,<br />

sie hätten früher Marcumar bekommen, jetzt werde ihnen empfohlen, ein modernes<br />

Medikament zu nehmen. Dieses Medikament kostet in der Behandlung etwa das<br />

Dreißigfache. Da kann man sicher von 400 bis 600 Euro Quartalskosten ausgehen.<br />

Marcumar kostet nur wenige Euros.<br />

Wenn wir heute eine akademische Diskussion über die Priorisierung führen, dürfen<br />

wir nicht vergessen, dass wir gefordert sind, schon wieder zu rationieren. Natürlich<br />

will man nicht jeden Patienten mit diesen modernen Medikamenten behandeln. Das<br />

ist sicherlich auch nicht nötig und richtig. Aber es gibt Indikationen für moderne<br />

hochpreisige Mittel, die mein Medikamentenbudget komplett sprengen. Ich erwische<br />

mich immer wieder bei dem Gedanken: Dies ist ein Privatpatient, bei dem habe ich<br />

kein Budget, dem kann ich dasjenige verordnen, was er braucht. Bei dem Kassenpatienten<br />

ist man dazu verleitet, sofort zu überlegen: Wie kannst du es verhindern?<br />

Das ist schon eine Einflussnahme auf meine ärztliche Tätigkeit, die ich nicht ertragen<br />

kann. Das ist der Vorteil, den wir bei dem direkten Vertragsverhältnis mit dem Privatpatienten<br />

haben. Das ist es nicht, was schlecht ist, sondern das, was wir ansonsten<br />

erleben, ist un<strong>zum</strong>utbar. Wir werden im Moment gerade wieder zu einer verdeckten<br />

Rationierung gezwungen. Deshalb möchte ich auf die praktischen Beispiele aufmerksam<br />

machen.<br />

Das Erste, was ich sagte, ist mir sehr wichtig: Wir dürfen das eigentlich Ärztliche<br />

nicht vergessen. Es muss vergütet werden, sodass wir unabhängig arbeiten können.<br />

Diese Tätigkeit lässt sich nicht an ökonomischen Daten messen. Deshalb müssen<br />

wir explizit einfordern, dass wir auch dort Ärzte bleiben können.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall)<br />

Präsident Prof. Dr. Montgomery: Vielen Dank, Herr Grauduszus. – Nächster Redner<br />

ist Professor Wulf Dietrich aus Bayern.<br />

Prof. Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern: Meine Damen und Herren! Herr Schulze, vielen<br />

Dank für diesen sehr trocken, emotionslos gehaltenen Faktenvortrag, den ich sehr<br />

gut fand. Ich gehöre zu den Kritikern, die von Anfang an gegenüber dem Begriff der<br />

Rationierung bzw. Priorisierung sehr skeptisch waren. Einen gewissen Widerspruch<br />

sehe ich auch in Ihren Ausführungen. Ich sah ihn damals auch bei den Ausführungen<br />

von Professor Hoppe, der schon damals sein Referat überschrieben hat: Priorisierung<br />

im Zeichen der Mangelverwaltung. Er sagte: Es ist ein Mangel und wir müssen<br />

den Mangel verwalten. Dort, wo am wenigsten Mangel herrscht, müssen wir abschneiden;<br />

dort, wo man es sich nicht leisten kann, müssen wir zahlen.<br />

Herr Schulze, Sie beginnen in Ihrem Vortrag und auch in dem Bericht im „<strong>Deutschen</strong><br />

Ärzteblatt“ damit, dass die Bevölkerung älter wird, dass der medizinische Fortschritt<br />

vorangeht und dass wir in Zukunft diese Kosten nicht mehr tragen können. Das sind<br />

die beiden ersten Abschnitte im „<strong>Deutschen</strong> Ärzteblatt“, woraus man natürlich folgern<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, Nachmittag, 30.05.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!