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Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

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Präsident Prof. Dr. Montgomery: Vielen Dank, Herr Kollege Scholze. Sie haben den<br />

Vorstand impliziert gerügt, er sei beim Systemvergleich nicht von einer ganz offenen<br />

Position ausgegangen. Das ging gar nicht, meine Damen und Herren, denn Sie selber<br />

haben uns auf dem 115. <strong>Deutschen</strong> <strong>Ärztetag</strong> – das steht auch im Anhang des<br />

Papiers – eine Kriterienliste mitgegeben, die wir berücksichtigen sollten. Der wichtigste<br />

Beschluss des vorjährigen <strong>Deutschen</strong> <strong>Ärztetag</strong>es lautete, dass wir uns für den<br />

Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung<br />

einsetzen sollten. Damit war von Ihnen selber mitgeteilt, dass wir<br />

nicht die Bürgerversicherung prüfen sollten, sondern das duale System.<br />

Was die Umfrage von Marschollek, Lautenschläger und Partner angeht, gestatten<br />

Sie mir den Hinweis, dass die Frage in der Tat sehr offen formuliert war: Wie würden<br />

Sie sich zur Einführung einer Bürgerversicherung positionieren? Es gibt inzwischen<br />

eine Umfrage, die dezidiert nach den beiden bekannten Modellen einer Bürgerversicherung<br />

fragt. Sie wird von 87 Prozent der befragten Ärzte abgelehnt. Wenn man mit<br />

Umfragen argumentiert, sollte man immer die richtigen zitieren.<br />

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Catherina Stauch aus Nordrhein.<br />

Dr. Stauch, Nordrhein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Ich möchte auf die Stichworte von Professor Maio eingehen: die innere Übernahme<br />

der ökonomischen Bedingungen und die Umformung unseres Handelns sowie<br />

die Frage, welche Methoden uns in unserem Alltag beeinflussen. Qualitätsmanagement,<br />

Disease-Management-Programme, implementierte Qualitätseffizienz, Pay<br />

for Performance, Diagnosis Related Groups, Case-Management, Care-Management,<br />

Case-Mix, Leitlinien-Controlling, Onlinezwang, elektronische Gesundheitskarte − allein<br />

die Aufzählung dieser Begriffe zeigt schon die Absurdität, in der wir leben. Es<br />

werden anonyme Prozesse und Abläufe dadurch gekennzeichnet. Es sind Begriffe<br />

aus der Industrie, die auf das Herstellen von Gütern spezialisiert sind.<br />

Lassen die soeben genannten Begriffe eigentlich die Annahme zu, dass in den Abläufen<br />

auch Menschen vorhanden sind? Ich lasse diese Frage einfach einmal offen.<br />

Diese Programme kommen aus Institutionen, in denen Menschen in einem Wabensystem<br />

leben und dem Direktionsrecht unterliegen. Aus diesen Institutionen heraus<br />

entsteht ein Denken, das der Ärzteschaft in Klinik und Arztpraxis übergestülpt wird.<br />

Wie aber kann man unsere Arbeit als Arzt und Ärztin beschreiben? Von Christiane<br />

Woopen, einer Medizinethikerin, findet sich – übrigens in einem Buch über Qualitätsmanagement<br />

– ein Artikel über das natürliche Handeln. Das ärztliche Handeln ist<br />

das natürliche Handeln per se. Es ist gekennzeichnet durch die tägliche Erfahrung<br />

und Beobachtung von Menschen. Es wird gekennzeichnet durch die persönliche<br />

Verantwortung, die Auge in Auge übernommen wird. Nun aber dringt dieses institutionelle<br />

Handeln mit seiner Anonymität und seiner Macht immer mehr in unser natürliches<br />

Handeln in der Klinik und in der Arztpraxis ein. Warum hat dieses Eindringen<br />

von institutionellem Handeln eine solche Macht? Es wurde von Professor Maio gesagt:<br />

Es ist mit unserer wirtschaftlichen Existenz gekoppelt. Das erzeugt Angst in<br />

uns: Angst vor Regressen, Angst vor der KV-Verwaltung mit beispielsweise Plausibilitätsprüfungen,<br />

Angst davor, dass die Ärztekammer mit ihren Stellen, Radiologen<br />

und Nuklearmedizinern belehrt und hohe Gebühren verlangt.<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, 28.05.2013

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