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Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

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renden Vortrag zu dieser Thematik zu halten. Anschließend können wir die beiden<br />

Themenkomplexe gemeinsam diskutieren.<br />

Herr Professor Maio, Sie haben das Wort.<br />

Prof. Dr. Maio M. A., Referent: Verehrte Ehrengäste! Verehrte Frau Präsidentin! Verehrter<br />

Herr Präsident! Verehrte Delegierte! Meine sehr verehrten Damen und Herren!<br />

Ich danke Ihnen sehr für die ehrenvolle Einladung, hier ein paar Worte zu diesem<br />

wichtigen Thema an Sie zu richten. Ich möchte starten mit einer Überlegung, die mir<br />

vor Kurzem kam. Ich habe auf der Veranstaltung einer medizinischen Fachgesellschaft<br />

einen Nachruf auf einen sehr anerkannten Arzt gehört, in dem neben den wissenschaftlichen<br />

Meriten des Verstorbenen die Selbstverständlichkeit gewürdigt wurde,<br />

mit der er sich der kranken Menschen angenommen hatte und wie er das Gespräch<br />

gerade mit den Menschen suchte, bei denen keine Hoffnung auf Heilen mehr<br />

bestand.<br />

Ich habe mich dabei innerlich gefragt, was man wohl in einigen Jahrzehnten für<br />

Nachrufe auf die heutige Generation der Ärzte halten wird. Ich habe mich gefragt, ob<br />

man dann wohl bei den zu ehrenden Ärzten deren Fallzahlen, deren Case-Mix oder<br />

deren Erlöse im Benchmark-Vergleich hervorheben wird. Und schon die Tatsache,<br />

dass uns eine solche Vorstellung heute eher merkwürdig vorkommt, zeigt auf, dass<br />

das, woran heute die Ärzte gemessen werden, nicht kongruent ist mit dem, was den<br />

ärztlichen Beruf von seiner Essenz her ausmacht.<br />

Und doch: Die Bilanzen, die Werte, die Zahlen, sie sind doch alle wichtig für eine gute<br />

Medizin. Genau das ist der springende Punkt. Wenn wir heute über die Grenzen<br />

der Ökonomisierung der Medizin sprechen, so darf dieses Sprechen nicht als Verweigerung<br />

verstanden werden, die Realitäten und Notwendigkeiten anzuerkennen.<br />

Ich würde sogar sagen, dass Menschlichkeit und Effizienz keine Gegensätze sind.<br />

Humanität oder Ökonomie, das ist schlichtweg die falsche Frage, weil Ökonomie und<br />

Medizin keine Antipoden sind. Es sind schlichtweg zwei verschiedene Logiken, die je<br />

für sich eine Berechtigung haben.<br />

Die Ökonomie schafft die Ermöglichungsbedingungen für die Medizin. Sie ermöglicht<br />

die Strukturen, durch die überhaupt erst ärztliche Hilfe realisiert werden kann. Immer<br />

wenn es darum geht, anderen zu helfen, ist man unweigerlich auf gute Strukturen<br />

angewiesen. Die Medizin muss gut organisiert sein, sie kann sich kein Missmanagement<br />

leisten und sie darf erst recht nicht verschwenden.<br />

Daher kann es nicht darum gehen, das ökonomische Denken zu verteufeln und die<br />

Ökonomie als Feindbild zu sehen. Das ökonomische Denken ist eine Notwendigkeit<br />

und auch im Interesse der Beitragszahler.<br />

Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass das ökonomische Denken einer<br />

ihm eigenen Logik folgt und dass die Logik der Ökonomie in einen Konflikt geraten<br />

kann mit der Logik der Medizin. Gerade am Krankenbett erweist sich die Logik der<br />

Ökonomie als eine der Medizin fremde Logik, weil die Medizin eben nicht Ökonomie<br />

ist, sondern eine soziale Praxis, und weil die Medizin in ihrem Kern es nicht mit Kunden<br />

zu tun hat, sondern mit hilfsbedürftigen Menschen, die nichts kaufen wollen und<br />

die nicht unverbindliche Angebote einholen wollen, sondern die meist in einer Situa-<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, 28.05.2013

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