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Stenografischer Wortbericht zum 116. Deutschen Ärztetag ...

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eine etwas andere Arbeitsgrundlage, nämlich eine viel breitere Arbeitsgrundlage,<br />

mitbringen muss.<br />

Er muss die Krankheitsbilder aus der HNO wissen, aber er muss beispielsweise nicht<br />

wissen, wie man eine Galle Schritt für Schritt operiert. Das muss der Viszeralchirurg<br />

wissen. Aber er muss die Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes<br />

kennen. Der Spezialist macht bei der Facharztprüfung nicht etwa auf der<br />

Ebene 4 Schluss, sondern das geht anschließend weiter. Der Viszeralchirurg spezialisiert<br />

sich weiter. Wenn Sie die Stellenanzeigen im „<strong>Deutschen</strong> Ärzteblatt“, die immer<br />

seltener werden, obwohl weiterhin Arztmangel besteht, lesen, finden Sie häufiger,<br />

dass ein Upper GI Surgeon oder ein Lower GI Surgeon gesucht wird. Das bedeutet<br />

aber auch, dass ich mit zunehmender Spezialisierung meinen Handlungsrahmen zunehmend<br />

beschränke. Viele von Ihnen werden sich ebenso wie ich an die Zeit von<br />

1993 erinnern, an die Torschlusspanik, als alle diejenigen noch in die Praxis gestürmt<br />

sind, die heute kurz vor der Rente stehen. Das ist ein Teil des Problems. Ich<br />

habe damals viele Kollegen verloren, die Facharzt für Chirurgie waren. Sie haben<br />

sich aber nicht als Facharzt für Chirurgie niedergelassen, sondern als Praktiker, weil<br />

sie nach den damaligen Abrechnungsverfahren eine viel breitere Abrechnungsebene<br />

hatten, als wenn sie sich als Facharzt für Chirurgie niedergelassen hätten.<br />

Das Ganze hat immer auch verschiedene Seiten. Je weiter ich mich spezialisiere,<br />

desto weiter schränke ich mich auch ein.<br />

Bei dieser Darstellung, die Sie hier sehen, habe ich mich lange gefragt: Soll ich das<br />

bringen oder nicht? Ich habe die beiden Ebenen unterschieden, damit Sie auch in<br />

etwa die Wertung sehen können. Warum habe ich so lange überlegt? Sie kennen<br />

das Klischee vom Chirurgen als dem hirnlosen Aufschneider. Der Chirurg ist nun<br />

einmal im oberen Bereich angesiedelt. Ein Chirurg, der keine Eingriffe beherrscht, ist<br />

bestenfalls irgendein anderer Facharzt.<br />

(Heiterkeit)<br />

− Ich habe gesagt: irgendein anderer Facharzt. Da ich selbst Chirurg bin, habe ich<br />

dieses Risiko hintangestellt, weil ich ja weiß, dass Chirurgen in ihrer wahren Natur<br />

hochsensible, empathiefähige und intellektuell anspruchsvolle Leute sind.<br />

(Heiterkeit – Beifall)<br />

− Vielen Dank. Ich sehe viele Chirurgen, aber auch Nichtchirurgen, die applaudieren.<br />

Chirurgen müssen sich durchaus in diesen Hirnebenen aufhalten. Ich kann nicht einfach<br />

nur wie ein Handwerker mein Handwerk beherrschen und dann glauben, ich<br />

mache Medizin. Ich bin Mediziner und brauche als Chirurg die Basis in den Hirnebenen.<br />

Allerdings braucht der Allgemeinmediziner genauso nicht nur die Hirnebene,<br />

sondern überall da, wo er be-handelt, nämlich in die Handlungsebene hineingeht,<br />

braucht er natürlich denselben Kompetenzlevel wie die anderen auch. Das betrifft<br />

technische Leistungen, medikamentöse Einstellungen beispielsweise des einfachen<br />

Diabetes, beispielsweise des Bluthochdrucks, Differenzialdiagnose, Prävention, Rehabilitation,<br />

aber eben auch die Be-handlung.<br />

So viel zu dem Missverständnis, das immer geherrscht hat, man könne doch die Allgemeinmediziner<br />

nicht nur auf den unteren Levels belassen. Wenn es hierarchisch<br />

gemeint ist, kann ich es gut nachvollziehen. Aber so ist es nicht gemeint, sondern es<br />

sind unterschiedliche Qualitäten, die in den unterschiedlichen Kompetenzebenen<br />

<strong>Stenografischer</strong> <strong>Wortbericht</strong> – <strong>116.</strong> Deutscher <strong>Ärztetag</strong> 2013 – Plenum, Nachmittag, 29.05.2013

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