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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Genitiv<br />

Beide syntaktisch begründeten Genitive, subiectivus und obiectivus,<br />

scheinen auf den ersten Blick unproblematisch und klar abgrenzbar zu sein.<br />

Allerdings ist bei kontextfreiem Gebrauch nicht immer eine eindeutige<br />

Zuordnung möglich (vgl. auch <strong>Hentschel</strong>/Weydt 2003: 172). So kann beispielsweise<br />

der Besuch der Freundin als → jemand besucht die Freundin (Genitivus<br />

obiectivus) oder → die Freundin besucht jemanden (Genitivus subiectivus)<br />

interpretiert werden. Aus dem Kontext wird jedoch auch in solchen<br />

Beispielen klar, um welche Bedeutung es sich handelt.<br />

Genitivus partitivus (von lat. pars ‚Teil‘): auch „Partitivgenitiv“ (Eisenberg<br />

2006: 249), Genitivus rei (lat. ‚Genitiv der Sache‘) oder Genitivus materiae<br />

(lat. ‚Genitiv des Stoffs‘), so etwa bei Erben (1980: 152): die Hälfte des<br />

Anwesens, ein Teil des Erbes. Die Benennungen sind nicht einheitlich und die<br />

Bedeutung wird nicht immer synonym definiert. Manchmal wird unter Genitivus<br />

materiae nur die wirkliche Stoffbezeichnung verstanden (z. B. altserbisch<br />

vrata suva zlata ‚eine Tür aus purem Gold‘; Brugmann 1904/1970:<br />

604, zitiert nach <strong>Hentschel</strong>/Weydt 2003: 173), während mit Genitivus partitivus<br />

eine Beziehung gemeint ist, in der nicht ein materielles, sondern ein<br />

rein partitives Verhältnis vorliegt (eine Tasse heißen Tees). Der Genitivus partitivus<br />

kann gewöhnlich nicht durch Possessivpronomina ersetzt werden (die<br />

Hälfte des Anwesens → *seine Hälfte).<br />

Der Genitivus partitivus konkurriert mit der von vielen deutschen<br />

<strong>Grammatik</strong>en als „partitive Apposition“ bezeichneten Konstruktion oder<br />

wird von ihr verdrängt, wenn er nach Maß-, Mengen-, Behälter- und Sammelbezeichnungen<br />

auftritt: eine Tasse heißen Tees vs. eine Tasse heißer Tee oder<br />

ein Stück frischgebackenen Kuchens vs. ein Stück frischgebackener Kuchen (vgl.<br />

Duden 2009: 983, 994; Eisenberg 2006: 249).<br />

Genitivus qualitatis (lat. ‚Genitiv der Eigenschaft‘): ein Mann mittleren<br />

Alters, ein Wort lateinischen Ursprungs. Er benennt eine Qualität oder Eigenschaft.<br />

Solche Genitive sind selten, sie kommen hauptsächlich in der gehobenen<br />

Sprache vor (vgl. Duden 2009: 830) oder sind an feste Wendungen<br />

gebunden: ein Mensch guten Willens. Typisch für qualitative Genitive ist<br />

auch das regelmäßige Vorkommen eines attributiven Adjektivs (mittleren, lateinischen,<br />

guten). Durch Possessivpronomina kann der Genitivus qualitatis<br />

nicht ersetzt werden, jedoch ist eine Umformung in einen prädikativen Genitiv<br />

möglich (vgl. <strong>Hentschel</strong>/Weydt 2003: 173): ein Wort lateinischen Ursprungs<br />

→ Das Wort ist lateinischen Ursprungs.<br />

Genitivus explicativus (von lat. explicare ‚erklären‘) oder Genitivus definitivus<br />

(von lat. definire ‚bestimmen‘), meist synonym verwendet (vgl. <strong>Hentschel</strong>/Weydt<br />

2003: 173): ein Strahl der Hoffnung, der Schrecken des Tsunami.<br />

Bei Eisenberg (2006: 248) und Zifonun u. a. (1997: 2028) findet sich nur<br />

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