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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Genus<br />

Die Zuordnung zu einem Genus kann aber auch nach phonologischen<br />

Kriterien erfolgen: Im modernen Hausa, einer afroasiatischen Sprache, zeigen<br />

alle Feminina die Endung -aa, alle Substantive mit anderen Endungen<br />

sind Maskulina. Da alle Bezeichnungen für weibliche Menschen auf -aa enden,<br />

ergibt sich eine Überschneidung der formalen mit den semantischen<br />

Kriterien (vgl. Corbett 2001: 52f.). Ähnliches gilt für das Italienische, wo<br />

Wörter auf -o mehrheitlich Maskulina, solche auf -a hingegen Feminina<br />

sind. Die phonologische Zuordnung muss aber nicht immer so offensichtlich<br />

sein: im Französischen sind beispielsweise 99 % aller Nomina, die auf<br />

/ã/ auslauten, maskulin: le restaurant, le département. Bei Auslaut auf /õ/<br />

hingegen sind die Verhältnisse nicht ganz so klar; neben den überwiegenden<br />

Feminina finden sich hier auch Maskulina wie le balcon, le garçon.<br />

Wenn man jedoch nicht nur einzelne Phoneme, sondern Phonemgruppen<br />

oder ganze Silben betrachtet, tritt der Zusammenhang deutlich hervor (vgl.<br />

hierzu ausführlicher Corbett 2001: 58–61). Auch im <strong>Deutsche</strong>n lässt sich<br />

die Tendenz beobachten, dass bestimmte Lautkombinationen die Genuszuordnung<br />

steuern. Köpcke (1982) hat gezeigt, dass z. B. einsilbige Wörter<br />

mit kn-, tr- oder dr- im Anlaut mehrheitlich maskulin sind (Knilch, Knick,<br />

Kniff; Draht, Dreh; Trick, Tritt); Einsilbler mit -ft, -cht im Auslaut sind hingegen<br />

tendenziell feminin (Luft, Macht). Mit solchen Regeln lässt sich das<br />

Genus von ca. 90 % aller deutschen Einsilbler vorhersagen. Köpcke/Zubin<br />

(1983) haben in der Folge nachgewiesen, dass Versuchspersonen auch<br />

Kunstwörtern mit spezifischen An- und Auslautmustern das vorhersagbare<br />

Genus zuordnen (vgl. auch Köpcke/Zubin 2009). Wegener (1995) sieht die<br />

Genuszuweisung dagegen weniger in der Struktur der Einzelsilbe begründet,<br />

sondern eher in der Anzahl und dem Zusammenwirken der Silben innerhalb<br />

eines Wortes.<br />

Die Zuordnung von Genus kann sich ferner auch an morphologischen<br />

Kriterien orientieren. Überwiegend morphologische Genussysteme richten<br />

sich wie die phonologischen nach der Form eines Substantivs, nicht nach<br />

dem Inhalt. Anders als beim phonologisch motivierten Genus ist hier aber<br />

nicht die Silbenstruktur des Wortes ausschlaggebend, sondern die Art, wie es<br />

sich verändert, um einen Kasus oder den Plural zu bilden, also das sog. Flexionsparadigma.<br />

Bei Wörtern, die durch Wortbildung entstanden sind,<br />

kann ferner auch das angewandte Wortbildungsverfahren entscheidend sein.<br />

Im <strong>Deutsche</strong>n ist dieser zweite Typ der morphologischen Genuszuweisung<br />

in vielen Fällen bestimmend, denn der deutsche Wortschatz ist durch eine<br />

Vielzahl von Zusammensetzungen und Ableitungen geprägt. Dabei gilt<br />

für die Genuszuweisung das sog. Letzt-Glied-Prinzip. So sind beispielsweise<br />

alle Ableitungen auf -ung oder -schaft feminin: Zeitung, Haltung; Herrschaft,<br />

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