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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Modus<br />

mal her! Wart(e) mal! Verben mit e/i-Wechsel vollziehen diesen Wechsel auch<br />

im Imperativ in der 2. Person Singular, tragen dann aber mit Ausnahme des<br />

Verbs sehen kein -e: Gib her! Lies mal! Sieh(e) da! Aus pragmatischer Perspektive<br />

dienen diese Verbformen dazu, Aufforderungen, Anweisungen, Bitten,<br />

in negierter Form auch Verbote oder Warnungen auszudrücken.<br />

Da der Imperativ im <strong>Deutsche</strong>n nur über zwei Formen verfügt, die beide<br />

die 2. Person Präsens Aktiv bezeichnen und sich folglich nur im Numerus<br />

unterscheiden, wird sein Status als finite Verbform gelegentlich in Zweifel<br />

gezogen (vgl. Zifonun u. a. 1997: 1724; Eisenberg 2006: 204). Tatsächlich<br />

können Imperative in einer anderen Person im <strong>Deutsche</strong>n nicht gebildet<br />

werden; hier wird auf Ersatzformen zurückgegriffen, so etwa auch den Konjunktiv<br />

(Seien wir ehrlich!) oder auf Umschreibungen mit lassen (Lasst uns<br />

ehrlich sein!) als Ersatz für den Imperativ der 1. Person Plural. Beobachten<br />

lassen sich jedoch in der literarischen Sprache sowie in formelhaften Wendungen<br />

Imperative im Perfekt wie auch im Passiv:<br />

186<br />

Besen! Besen! Seids gewesen! (Goethe: Der Zauberlehrling; Imperativ Perfekt)<br />

Sei mir gegrüßt, du lieber Mai! (Wilhelm Busch: Schnurrdiburr oder die<br />

Bienen; Imperativ Passiv)<br />

Die Bildungseinschränkungen in Bezug auf Tempus und Genus Verbi scheinen<br />

daher in erster Linie auf pragmatische Ursachen zurückzuführen zu sein,<br />

da man jemanden normalerweise nicht dazu auffordern kann, etwas bereits<br />

getan zu haben oder zum Patiens einer Handlung zu werden, die andere ausführen.<br />

Der Konjunktiv (von lat. coniungere ‚verbinden‘) als dritter Modus des<br />

<strong>Deutsche</strong>n ist ausgesprochen polyfunktional. Er kann eine Reihe von sehr<br />

unterschiedlichen Funktionen übernehmen, für die in anderen Sprachen<br />

mehrere verschiedene Modi zur Verfügung stehen. So ersetzt er wie bereits<br />

erwähnt den fehlenden Imperativ der Höflichkeitsform (Seien Sie vorsichtig!);<br />

er kann anstatt eines eigenen konditionalen Modus Bedingungen markieren<br />

(Wenn ich das genauer wüsste …) oder als Konjunktiv der indirekten<br />

Rede (Sie sagt, sie habe den Brief erst gestern bekommen) an der Stelle stehen,<br />

wo andere Sprachen einen Quotativ aufweisen. Als einheitliche Bedeutung<br />

lässt sich ihm eine allgemeine Einschränkung der Gültigkeit zuordnen;<br />

Weydt (2009: 217) spricht von einem „gemeinsamen Nenner ‚gebrochene<br />

Realität‘“.<br />

Der Formenbestand des Konjunktivs ist im Laufe der jüngeren Sprachgeschichte<br />

stark abgebaut worden, so dass er in vielen Fällen bereits mit dem<br />

Indikativ zusammengefallen ist. Mit zunehmender Häufigkeit – insbeson-

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