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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Kasus<br />

din meine Geschichte erzählt‘: Akkusativ unmarkiert, Dativ mit à) gegenüber<br />

Je le lui ai racontée (‚Ich habe sie ihr erzählt‘), wo sowohl der Akkusativ<br />

le als auch der Dativ lui eindeutig als solche gekennzeichnet sind. Eine Untersuchung<br />

zu dieser Art von Asymmetrie in den Sprachen der Welt findet<br />

sich bei Iggesen (2005).<br />

Idealtypische Kasussysteme findet man in Sprachen wie dem Lateinischen,<br />

dem Russischen oder auch dem Türkischen, in denen die Substantive<br />

durchweg Endungen tragen, mit denen ihre syntaktische Funktion markiert<br />

wird. Solche Sprachen nennt man im Englischen auch case languages, auf<br />

Deutsch Kasussprachen, wobei der englische Begriff verbreiteter ist als seine<br />

deutsche Entsprechung. In einer solchen Sprache bilden die verschiedenen<br />

Kasusendungen zusammen ein Paradigma, das man nach Kasus geordnet<br />

auch in den <strong>Grammatik</strong>en und Lehrbüchern findet und das dann z. B. so<br />

aussehen kann:<br />

142<br />

Nominativ: der Mann<br />

Genitiv: des Mannes<br />

Dativ: dem Mann(e)<br />

Akkusativ: den Mann<br />

Kasusmarkierungen sind naturgemäß von Sprache zu Sprache verschieden.<br />

Aber nicht nur die äußere Form der Markierung, sondern auch die Anzahl<br />

der Kasus sowie deren Funktionen können sich von Sprache zu Sprache beträchtlich<br />

unterscheiden. Wenn man dennoch Kasus in den verschiedenartigsten<br />

Sprachen mit gemeinsamen Namen wie „Dativ“ oder „Nominativ“<br />

belegen will, braucht man folglich eine grundlegende Definition dessen, was<br />

einen Dativ (oder einen beliebigen anderen Kasus) ausmacht und was ihn<br />

von anderen Kasus unterscheidet.<br />

Die in den obigen Beispielsätzen Der Mann beißt den Hund und Ich gebe<br />

dem Bären den Apfel verteilten Rollen gehören zugleich zu den zentralen Rollen,<br />

die in einem Satz ausgedrückt werden müssen. Unter semantischen Gesichtspunkten<br />

kann man sie als Agens (‚der/die Handelnde‘: der Mann, ich),<br />

Patiens (wörtlich ‚der/die Leidende‘: das, was der Handlung unterzogen<br />

wird: den Hund, den Apfel) und Rezipient (der/die Empfänger/in) bezeichnen.<br />

In Sprachen wie dem <strong>Deutsche</strong>n werden sie durch die Kasus Nominativ,<br />

Akkusativ und Dativ ausgedrückt. Dabei gilt, dass der Nominativ das<br />

Agens bei auf ein Objekt gerichteten, also transitiven, Verben ebenso ausdrückt<br />

wie das bei intransitiven Verben, bei denen nur das Subjekt an der<br />

Handlung beteiligt ist: der Mann steht sowohl in dem Satz Der Mann joggt<br />

als auch in Der Mann beißt den Hund im Nominativ. Dies ist typisch für sog.<br />

Nominativ- oder Subjektsprachen, wie das <strong>Deutsche</strong> eine ist, und macht zu-

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