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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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<strong>Grammatik</strong><br />

<strong>Grammatik</strong> (engl. grammar; von lat. [ars] grammactica, zu griech.<br />

grammatikē [technē] und gramma ‚Buchstabe‘: [Kunstfertigkeit der]<br />

<strong>Grammatik</strong>)<br />

Unter <strong>Grammatik</strong> versteht man das Regelsystem einer Sprache. Meist sind<br />

damit regelhafte Erscheinungen in Bezug auf die Wörter und ihre Formen<br />

(Morphologie) sowie auf die Bildung von Konstruktionen aus mehreren<br />

Wörtern (Syntax) gemeint. Gelegentlich, jedoch nicht immer, werden auch<br />

der Silbenbau und das lautliche Inventar (Phonetik und Phonologie) hinzugerechnet.<br />

Nur am Rande spielt die Semantik eine Rolle, nämlich immer<br />

dann, wenn die Bedeutung Einfluss auf Morphologie oder Syntax hat.<br />

[EH]<br />

<strong>Grammatik</strong>alisierung (engl. grammaticalization)<br />

Sprachen verändern sich im Laufe der Geschichte und dabei verändert sich<br />

auch ihre grammatische Struktur: es entstehen neue Formen und alte werden<br />

abgebaut. Im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen dieser Art kommt<br />

es dazu, dass Wörter, die bisher keine grammatischen Funktionen hatten,<br />

solche in immer stärkerem Maß übernehmen; dann spricht man von <strong>Grammatik</strong>alisierung.<br />

Ein aktuelles Beispiel für einen solchen <strong>Grammatik</strong>alisierungsprozess<br />

wäre die Herausbildung neuer Futurformen mit dem Verb ‚gehen‘<br />

im Englischen und Französischen. Auch im <strong>Deutsche</strong>n kann man mit<br />

gehen auf eine zukünftige Handlung verweisen, allerdings nur dann, wenn<br />

dafür auch reales Gehen erforderlich ist. Ein Satz wie Ich gehe einkaufen impliziert<br />

dabei zugleich, dass die Handlung des Einkaufens erst nach der des<br />

Gehens erfolgt, also in der Zukunft liegt. Im Englischen und Französischen<br />

ist die wörtliche Bedeutung ‚gehen‘ nicht mehr enthalten, und Sätze wie I’m<br />

going to tell you something oder je vais te dire quelque chose bedeuten sinngemäß<br />

nur noch ‚ich werde dir etwas sagen‘, nicht etwa: ‚ich gehe dir etwas sagen‘.<br />

Aber auch für die älteren Futurformen des Englischen und Französischen<br />

lässt sich zeigen, dass sie ihrerseits auf <strong>Grammatik</strong>alisierungen<br />

zurückgehen: Engl. I shall/you will basiert auf den Verben ‚sollen‘ und ‚wollen‘,<br />

während eine französische Form wie je chanterai ‚ich werde singen‘ auf<br />

eine spätlateinische Form cantare habeo ‚ich habe zu singen‘ zurückgeführt<br />

werden kann, in der die beiden Bestandteile miteinander verschmolzen sind.<br />

Insgesamt lässt sich sagen, dass bei <strong>Grammatik</strong>alisierungsprozessen lockere<br />

Verbindungen von Wörtern immer enger zusammenwachsen und dabei<br />

nach und nach aus eigenständigen Wörtern mit lexikalischer Bedeutung<br />

solche mit grammatischer Bedeutung wie z. B. Hilfsverben werden. Diese<br />

können ihrerseits auch zu unselbständigen Morphemen werden, also etwa zu<br />

einem Flexionsmorphem wie im Falle des französischen Futurs. Im Laufe der<br />

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