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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Genus<br />

Genuszuweisung<br />

Die Genuszuordnung kann nach semantischen Kriterien erfolgen. In diesen<br />

Fällen regelt eine Orientierung an der außersprachlichen Wirklichkeit die<br />

Zuordnung, z. B. sind im <strong>Deutsche</strong>n alle Bezeichnungen für männliche Verwandte<br />

maskulin: der Vater, der Onkel, der Neffe. In strikt semantischen Systemen<br />

wie im Tamil ist Genus immer direkt aus der Bedeutung abzuleiten.<br />

Bezeichnungen für Götter und männliche Menschen sind maskulin, diejenigen<br />

für Göttinnen und weibliche Menschen sind feminin, alle anderen sind<br />

neutrum. Diese Zuordnung ist aber nicht die einzig mögliche: so hat z. B.<br />

Diyari, eine australische Sprache, ein Genus für alle weiblichen Menschen<br />

und Tiere, während alles andere dem anderen Genus zugehört. Ojibwa, eine<br />

nordamerikanische Indianersprache, unterscheidet Belebtes und Unbelebtes,<br />

und Dyirbal, eine vom Aussterben bedrohte australische Sprache, hat ein Genus<br />

für pflanzliche Nahrungsmittel (vgl. Corbett 2001: 11–18). Bei vielen<br />

Genussystemen liegt die semantische Basis bei Bezeichnungen für Menschen,<br />

sie kann sich aber auch auf weitere belebte Objekte erstrecken, insbesondere<br />

auf Jagd- und Nutztiere. So korreliert auch im <strong>Deutsche</strong>n bei wichtigen Nutztieren<br />

sowie einigem jagdbaren Wild das Genus mit dem Sexus: der Stier –<br />

die Kuh, der Hahn – die Henne, der Keiler – die Bache. Je weniger wichtig ein<br />

Tier für eine Gesellschaft ist, desto willkürlicher erscheint die Genuszuordnung.<br />

Allerdings werden auch in diesem Bereich häufig semantische Kriterien<br />

für die Genuszuordnung angenommen (vgl. Pusch 1984: 35; Köpcke/Zubin<br />

1996: 484), die auf Eigenschaften beruhen, die einem Sexus prototypisch zugewiesen<br />

werden: Große, starke oder auch menschenähnliche Tiere wie der<br />

Affe, der Bär, der Adler, der Wal sind eher maskulin, während eher kleine Tiere<br />

und solche mit wenig Ähnlichkeit zum Menschen tendenziell feminin sind:<br />

die Ratte, die Maus, die Spinne, die Schlange, die Ameise.<br />

Bei Bezeichnungen für nicht Belebtes gibt es wiederum andere Arten semantischer<br />

Zuordnung. Hier werden Bedeutungsklassen gebildet, innerhalb<br />

derer dann alle oder die meisten Mitglieder dasselbe Genus aufweisen. So<br />

sind etwa im <strong>Deutsche</strong>n mit Ausnahme von Apfel und Pfirsich alle Mitglieder<br />

der Klasse Obst feminin, und auch Bezeichnungen für Obstsorten, die<br />

neu gebildet bzw. aus anderen Sprachen entlehnt werden, erhalten dieses Genus:<br />

die Mango, die Ananas, die Kiwi usw. (vgl. hierzu ausführlicher Köpcke/<br />

Zubin 2009: 149f.). Bei Abstrakta lässt sich beobachten, dass Begriffe für extrovertierte<br />

Emotionen eher maskulin (der Hass), solche für introvertierte<br />

eher feminin (die Liebe) sind, was besonders bei Komposita mit -mut interessant<br />

ist, die sowohl maskulin als auch feminin sein können (vgl. Köpcke/<br />

Zubin 1984): der Wagemut, der Hochmut, aber die Wehmut, die Anmut.<br />

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