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Deutsche_Grammatik_Elke_Hentschel.pdf

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Kasus<br />

gleich die übereinzelsprachliche Definition des Nominativs aus. Anders sind<br />

die Verhältnisse z. B. in sog. Ergativsprachen, wo für diese beiden Funktionen<br />

zwei verschiedene Kasus verwendet werden: ein Kasus namens Absolutiv<br />

steht beim intransitiven Verb, markiert also ‚der Mann‘ in Fällen wie ‚Der<br />

Mann-Absolutiv joggt‘, und ein Kasus namens Ergativ steht beim transitiven<br />

Verb, bildet dann also Sätze wie ‚Der Mann-Ergativ beißt den Hund‘<br />

(vgl. Comrie 2001: 112–116).<br />

Auch der Akkusativ ist damit bereits definiert: Er ist der Kasus, mit dem<br />

in Subjektsprachen das Objekt eines transitiven Verbs ausgedrückt wird. Er<br />

markiert das Patiens, also den Hund und den Apfel in den obigen Beispielen.<br />

Der Dativ hingegen ist der Kasus des Rezipienten wie in Ich gebe dem Bären<br />

einen Apfel. Er dient ferner zum Ausdruck des Benefizienten (des Nutznießers),<br />

also der Person, zu deren Vorteil etwas geschieht, wie in Soll ich uns einen<br />

Tee kochen? Darüber hinaus ist er u. a. auch typisch für die Rolle des sog.<br />

Experiencers, womit die Person gemeint ist, die eine Erfahrung macht oder<br />

eine Empfindung erfährt: Mir ist schlecht (vgl. z. B. Iggesen 2005: 95).<br />

Damit wären schon drei der vier Kasus des <strong>Deutsche</strong>n definiert; übrig ist<br />

nur noch der Genitiv. Im Unterschied zu den drei anderen Kasus liegt seine<br />

ursprüngliche Aufgabe nicht darin, eine Rolle in Zusammenhang mit einem<br />

Verb festzulegen, sondern er ist der Kasus der Substantive, die andere Substantive<br />

modifizieren. Seine grundlegende Funktion ist possessiv, er dient<br />

also dem Ausdruck von Besitz (z. B. das Auto meiner Mutter) und Zugehörigkeit<br />

(z. B. die Mitglieder des Vereins). Da sich die semantischen Konzepte ‚Besitz‘,<br />

‚Zugehörigkeit‘ und ‚Teil von‘ überschneiden (vgl. die Augen meiner<br />

Mutter: sie gehören ihr und sind zugleich ein Teil von ihr), sind Genitive in<br />

vielen Sprachen auch für den Ausdruck von Partitivität (von lat. pars ‚Teil‘;<br />

engl. partitivity) zuständig. Insbesondere in ide. Sprachen, aber nicht nur<br />

dort, kann der Genitiv darüber hinaus auch als Objektkasus vorkommen. Er<br />

drückt dabei ursprünglich aus, dass das Objekt nicht vollständig, sondern<br />

nur zum Teil von der Handlung erfasst ist (vgl. Brugmann 1904/1970: 435).<br />

Man kann diese Funktion auch im modernen <strong>Deutsche</strong>n noch sichtbar machen,<br />

wenn man statt des Genitivs einen Genitiv-Ersatz mit von benutzt: Ich<br />

habe von dem Brot gegessen bedeutet, dass nicht alles, sondern nur ein Teil des<br />

Brotes gegessen wurde. In älteren Sprachstufen war hier auch ein Genitiv<br />

möglich, so z. B. noch im Mittelhochdeutschen (des brôtes; vgl. <strong>Hentschel</strong>/<br />

Weydt 2003: 173).<br />

In den ide. Sprachen und damit in den Vorstufen des <strong>Deutsche</strong>n gab es<br />

neben den vier im modernen <strong>Deutsche</strong>n erhaltenen noch vier weitere Kasus:<br />

Ablativ, Lokativ, Instrumental und Vokativ.<br />

Beim Ablativ (von lat. ablatum ‚weggetragen‘; engl. ablative) handelt es<br />

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