Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
Erfahrungen und Einsichten gibt, welche die einzelnen Mitarbeiter jeweils<br />
aus verschiedenen Perspektiven interpretieren und sich aneignen. Die Entstehung<br />
des Wissens der Mitarbeiter weist das verbindende Muster einer gemeinsamen<br />
Geschichte auf, die an das Tagesgeschäft, die Auseinandersetzung<br />
im Team, mit anderen Abteilungen, anderen Unternehmen oder Kunden<br />
gebunden ist. Trotzdem gelangen sie zu spezifischen Erkenntnissen.<br />
Die gemeinsamen Erkenntnisse und Erfahrungen werden auf Grundlage<br />
der individuellen Sichtweisen, Bedürfnisse und Interessen der einzelnen<br />
Mitarbeiter verarbeitet und je nach Wichtigkeit oder Interessenlage bewertet.<br />
Die Vorgänge des Unterscheidens, Vergleichens und Bewertens entsprechen<br />
den subjektiven Intentionen oder Gesichtspunkten, die bewusst oder unbewusst<br />
entstanden sind. Die jeweiligen Handlungen und Ziele der Menschen<br />
sind entsprechend teils bewusst, aber auch teils unbewusst mit diesen verbunden<br />
bzw. werden durch sie gelenkt.<br />
Das Verhältnis zwischen Wissen und Wirklichkeit bezeichnet GLASER-<br />
FELD <strong>als</strong> Anpassung im funktionalen Sinn; die Erkenntnis betrifft nicht eine<br />
objektive, ontologische Wirklichkeit, sondern ausschließlich die Ordnung<br />
und Organisation von Erfahrungen in der Welt unseres Erlebens, in der Auseinandersetzung<br />
mit der Umwelt. Wenn die Erkenntnis <strong>als</strong> Anpassung im<br />
funktionalen Sinne verstanden wird und die Erlebenswelt den Prüfstein für<br />
Ideen, Anschauungen und Verhaltensweisen bietet, dann ist die Entstehung<br />
des Wissens somit ein fortwährender Realitätsabgleich. 151<br />
Was immer wir aus unseren Erfahrungen folgern – <strong>als</strong>o alles, was wir induktiv benennen –,<br />
bezieht sich notwendigerweise auf unsere Erfahrungen und nicht auf jene mythische erfahrungsunabhängige<br />
Welt, von der die metaphysischen Realisten träumen. 152<br />
Die Erfahrungen und Erkenntnisse werden <strong>als</strong> implizites und explizites Wissen<br />
gespeichert, welches die weitere Wahrnehmung der Welt steuert. Sie<br />
münden sozusagen in Erwartungsstrukturen. Was kann das z. B. für Lernen<br />
bedeuten? Wird dieser Zusammenhang auf Lernprozesse bezogen, wird ersichtlich,<br />
dass die Erfahrungen, ob positive oder negative, die wir in bisherigen<br />
alltäglichen Lernsituationen, während der Schulzeit, im Studium oder in<br />
der Berufsausbildung erworben haben, weiter wirken bzw. <strong>als</strong> Erwartungen<br />
in weitere Lernprozesse einfließen. In diesen Situationen bildeten sich unsere<br />
Lernerfahrungen im Umgang mit Wissen heraus. In ihrer Rückbezüglichkeit<br />
können sich negative Lernerfahrungen destruktiv, positive Lernerfahrungen<br />
dagegen konstruktiv auf weitere Lernvorgänge auswirken. Die Erwartungsstrukturen<br />
selbst werden zu Lernvoraussetzungen.<br />
Die Anpassung im funktionalen Sinne ist die Geschichte des Konstruierens<br />
von möglichen Herangehensweisen im Handeln und Verhalten von<br />
151 Vgl. Glaserfeld 2003, S. 19.<br />
152 Ebenda, S. 30.<br />
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