Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
den, kommt es zu Überschneidungen und Überschichtungen des jeweils spezifischen<br />
praktischen Wissens. 273 Die damit verbundene Vermischung oder<br />
auch das Aufeinanderprallen verschiedener Sinnhorizonte und Bedeutungszuschreibungen<br />
kann zu Diskrepanzerlebnissen, Irritationen und Verwirrung<br />
führen, die <strong>als</strong> Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit ihnen Anlass<br />
geben. Zum Beispiel kann die Zusammenführung des praktischen Wissens<br />
aus den Praktiken der Betriebsführung und der sozialen Betreuung für soziale<br />
Vereine hilfreich sein, wenn allerdings eine Seite die andere verdrängt, büßt<br />
der Verein entweder seine funktionale Bestimmung ein oder verliert seine<br />
wirtschaftliche Existenzgrundlage.<br />
Wird unterschiedliches praktisches Wissen bewusst in seinem Kontextbezug<br />
und seinen Relationsbezügen reflektiert, wenn es nebeneinander bestehen<br />
oder sich ergänzen kann, ist es möglich, dass ein praktisches Mehrprodukt<br />
entsteht. In <strong>Feld</strong>ern, in denen sich Praktiken überschneiden, sollten das<br />
jeweilige praktische Wissen und die dazugehörigen Annahmen gegenseitig<br />
wahrgenommen werden. Das erfordert neben der Fähigkeit zur Kontextreflexion,<br />
dem Erkennen der eigenen Sichtweisen und Bewertungen, ein ausgeprägtes<br />
Relationsbewusstsein, welches die Fähigkeit zur Perspektivübernahme<br />
einschließt. 274<br />
Veränderungen durch kontextspezifische Umdeutungen<br />
Die Subjekte, durch die Handeln in konkreten Situationen umgesetzt wird,<br />
werden <strong>als</strong> Quellen von Unberechenbarkeit angesehen, ohne dass Autonomie,<br />
Reflexivität oder Eigeninteresse des „Subjekts“ jenseits der Praxis präjudiziert<br />
werden: „Subjekteigenschaften erscheinen praxeologisch <strong>als</strong> Produkt<br />
bestimmter Arrangements von sozialen Verhaltens-, Verstehens- und Emotionsroutinen.“<br />
275 Es besteht insofern keine interpretative Unbestimmtheit oder<br />
Ungewissheit. Vielmehr erfordert oder erzwingt jede Handlungssituation eine<br />
kontextspezifische Umdeutung von den Akteuren. Absolute Wiederholungen<br />
sind nur ein Grenzfall.<br />
Im praktischen Handeln bilden die Subjekte individuelle kognitive Strukturen<br />
heraus, die <strong>als</strong> „praxeologische Struktur des Subjektes“ bezeichnet<br />
werden, in der die Wissensformen lose miteinander gekoppelt sind. 276 Menschen<br />
werden in ihrer Lebensgeschichte mit unterschiedlichem, möglicherweise<br />
auch sich widersprechendem praktischem Wissen konfrontiert. Infolgedessen<br />
entsteht ein Konglomerat von Wissensstrukturen, und das nicht nur<br />
bzgl. unterschiedlicher Praktiken, sondern auch innerhalb einer Praktik (un-<br />
273 Ebenda, S. 304.<br />
274 Vgl. Schäffter 2001, S. 119ff.<br />
275 Reckwitz 2003, S. 304.<br />
276 Vgl. ebenda, S. 307.<br />
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