Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
Handlungsfolgen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass ein bestimmter Zustand<br />
angestrebt wird, aber genau das Gegenteil eintritt. 317<br />
Die Medizin beginnt zur Krankheit beizutragen; immer spezialisiertere Schulen bringen<br />
immer mehr mittelmäßige Schüler hervor; Kommunikationstraining macht Menschen zu<br />
geistig Taubstummen; immer raschere Verkehrsmittel und andere zeitsparende Errungenschaften<br />
lassen uns immer weniger Zeit ... 318<br />
Das Auftreten unintendierter Handlungsfolgen wird darauf zurückgeführt,<br />
dass das kollektive Wissen nicht in allen Dimensionen und Zusammenhängen<br />
erkennbar ist. Die Akteure haben meist nur eine begrenzte Kenntnis von der<br />
Gesamtheit der <strong>strukturellen</strong> Bedingungen, die ihrem Handeln zugrunde<br />
liegen. Diese sind in ihrer Komplexität nur schwer fassbar bzw. können die<br />
komplexen Zusammenhänge zwischen <strong>strukturellen</strong> Dimensionen und Handlungsfolgen<br />
nicht vollständig nachvollzogen oder eindeutig zugeschrieben<br />
werden.<br />
In institutionellen Strukturen lassen sich darüber hinaus implizite Strukturverschiebungen<br />
über verschiedene Ebenen hinweg wahrnehmen. In ihnen<br />
existiert ein Geflecht sichtbarer und unsichtbarer Strukturen, die sich gegenseitig<br />
beeinflussen. Die Veränderungen in einem Bereich haben Auswirkungen<br />
auf andere Bereiche und es kommt zu Verschiebungsprozessen, deren<br />
Auslöser nicht immer eindeutig zurückverfolgt werden können. Das hat zur<br />
Folge, dass Störungen in Bereichen auftauchen und wahrgenommen werden,<br />
obwohl sie in anderen Bereichen entstanden sind und so auf dieser Ebene<br />
nicht adäquat bearbeitet werden können. 319<br />
Kleine Unternehmen haben den Vorteil, dass die institutionellen Strukturen<br />
noch überschaubar sind. Aber auch hier ist darauf zu achten, dass in<br />
<strong>strukturellen</strong> Lernprozessen die Komplexität und Verschiebungsdynamiken<br />
innerhalb von Wissensstrukturen, zwischen individuellen und institutionellen<br />
Themen, Handlungsmustern und Folgeerscheinungen ihre Beachtung finden.<br />
Die zugrunde liegenden latenten Strukturveränderungen werden zu unerkann-<br />
317 Vgl. Watzlawick 2003b, S. 169f. Watzlawick spricht hier von der Paradoxie der<br />
Vollkommenheit und Unendlichkeit. Die Negation der Negation ist ein rückbezüglicher<br />
Vorgang und führt zu Paradoxien, wie z. B. der Unmöglichkeit, durch aktive Negation<br />
einen Zustand passiver Negation herbeiführen zu wollen; Veränderungen beruhen nicht auf<br />
aktiver Negation und bestimmte Verhaltensweisen sind erst wirksam, wenn sie keine<br />
Wirksamkeit mehr zum Ziel haben. Der logische Unterschied zwischen aktiver und<br />
passiver Negation geht auf Kant zurück.<br />
318 Ebenda, S. 160.<br />
319 Pühl 1997, S. 14. Es handelt sich hier um institutionelle Verschiebungsprozesse, in denen<br />
Themen oder Probleme von einem Subsystem auf ein anderes verschoben werden. Werden<br />
Konflikte z. B. auf einer Teamebene angegangen, deren Ursprung in der Leitung zu finden<br />
wäre, befindet man sich auf einem institutionellen Nebengleis. Als Folge werden<br />
institutionelle Strukturkonflikte dann meist auf einer Beziehungsebene abgehandelt.<br />
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