Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
sprechend bemerkt ROSA, dass eine Vielzahl externer Erwartungen von der<br />
sozialen Gemeinschaft von außen sanktioniert werde.<br />
Die Gemeinschaft sichert rigoros die Einhaltung und Akzeptanz der vom Paradigma vorgesehenen<br />
Werte und Autoritätsstrukturen, sie bestraft abweichendes Verhalten, ignoriert<br />
außerhalb des Paradigmas liegende Sachverhalte, bestimmt legitime und illegitime Handlungsweisen<br />
und vermittelt durch strikte Sozialisations- und Erziehungsmuster das dem<br />
Paradigma angemessene Weltbild, ja sichert sogar eine bestimmte Wahrnehmungsweise<br />
der Welt. 216<br />
Die externen Erwartungen werden aber nicht ausschließlich über Sanktionen<br />
gesichert. Kulturelle Codes wirken in Form internalisierter Wertbildungen, in<br />
Ritualen und Routinen normbildend. Sie implizieren somit Überzeugungen<br />
und Erwartungen hinsichtlich des Wesens und der Aufgabe sozialer Systeme,<br />
der sozialen Ordnung, welche sich in den Regeln und Handlungsweisen manifestiert,<br />
und bestimmen den Spielraum der möglichen Handlungsoptionen.<br />
Erwartungsstrukturen haben sich aus dem Komplex der kulturellen Codes,<br />
Sichtweisen, Fragestellungen und Bedeutungszuschreibungen entwickelt, die<br />
dem Wunsch oder der naturgegebenen Anforderung für Denken und Handeln<br />
nach Geordnetheit und Strukturierung folgen.<br />
Nach TAYLOR wirken die kulturellen Codes <strong>als</strong> eine Art moralische<br />
Landkarte, die sinnstiftenden Charakter hat und „Verstehen“ ermöglicht und<br />
die <strong>als</strong> „operatives Paradigma“ in den sozialen Praktiken zum Tragen<br />
kommt. 217 In den alltäglichen Interaktionsprozessen wird von den Beteiligten<br />
ein bestimmtes Verhalten wechselseitig vorausgesetzt. Darüber hinaus wird<br />
auch die Erwartung dieser Voraussetzungen wechselseitig angenommen. In<br />
diesem Wechselspiel kommt es zur Herausbildung von Normen. RECKWITZ<br />
hebt hervor, dass sich Normen nur <strong>als</strong> soziale Wirklichkeit entfalten können,<br />
wenn den Erwartungen komplementäre Erwartungserwartungen entsprechen.<br />
218 LUHMANN beschreibt Normen dahingehend, dass an ihnen auch im<br />
Falle der Enttäuschung festgehalten wird. Er bezeichnet sie auch <strong>als</strong> „lernunwillige<br />
Erwartungen“ 219 :<br />
Normativ wird Sinn in dem Maße, <strong>als</strong> das Festhalten von Erwartungen für den Enttäuschungsfall<br />
vorgesehen, <strong>als</strong>o Lernen ausgeschlossen ist. Normen sind kontrafaktisch stabilisierte<br />
Erwartungen, die sowohl auf der Ebene der Verhaltungserwartungen <strong>als</strong> auch auf<br />
der Ebene der Erwartungserwartungen gegen die symbolischen, diskreditierenden Implikationen<br />
eines Enttäuschungsfalls abgesichert sind. 220<br />
216 Ryan zitiert in Rosa 2003, S. 56.<br />
217 Taylor zitiert in Rosa 1999, S. 20.<br />
218 Vgl. Reckwitz 1997b, S. 134.<br />
219 Vgl. Schäffters Ausführungen zu Luhmann in Schäffter 2001, S. 177.<br />
220 Luhmann 1975, S. 65f.<br />
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