Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Reflexives Lernen in der Erwachsenenpädagogik<br />
4.3 Strukturwechsel <strong>als</strong> Herausforderung des<br />
pädagogischen Handlungsfeldes<br />
4.3.1 Strukturprobleme im erwachsenenpädagogischen<br />
Handlungsfeld<br />
Hier schließt sich der Kreis insofern, <strong>als</strong> ein bewusst arrangierter Strukturwechsel<br />
zwischen reproduktivem und reflexivem Lernen zur Herausforderung<br />
des pädagogischen Handlungsfeldes selbst wird: Lehrende, die zwischen<br />
beiden Lernformen unterscheiden, sie verbinden und situationsangemessen<br />
anwenden, müssen zum einen reproduktive und reflexive Praktiken<br />
beherrschen und zum anderen die Strukturunterschiede beider Lernformen<br />
verstehen und nachvollziehen können.<br />
Ein Verstehen von differenten Strukturen oder Paradigmen stellt nach<br />
ROSA 389 jedoch ein hermeneutisches Problem dar. ROSAs Paradigmenkonzept<br />
geht auf KUHN zurück, der die paradigmatischen Unterschiede in der „Struktur<br />
wissenschaftlicher Revolutionen“ zwischen Sozial- und Naturwissenschaften<br />
aufgezeigt und sie in ihrer Inkommensurabilität dargestellt hat. 390<br />
Paradigmen entsprechen den Wirklichkeitsmodellen, den Sinnzuschreibungen<br />
oder Identitätskonstellationen der Menschen. Von ROSA und KUHN wurden<br />
die Paradigmen in ihren kognitiven und sozialen Dimensionen beschrieben.<br />
Entsprechend entspringen reflexive und reproduktive Lernkulturen einem<br />
Netzwerk von Überzeugungen, die von methodologischer, konzeptioneller<br />
und ontologischer Natur sind. In ihrer semantischen Objektivierung stellen<br />
diese Überzeugungen das Instrumentarium für die Lösung von Problemen;<br />
sie legen fest, welche Art von Fragen legitim bzw. wie sie zu behandeln sind<br />
und welche Art von Antworten sich daraus ergeben können oder <strong>als</strong> gültig<br />
zugelassen werden. In ihrer sozialen Dimension verweisen sie nach ROSA auf<br />
die Existenz paradigmenteilender Communities. Die Community setzt die<br />
Orientierung an den paradigmengeleiteten Überzeugungen durch, wie sie<br />
auch eine einheitliche Sozialisation anstrebt.<br />
Die Gemeinschaft sichert rigoros die Einhaltung der Akzeptanz der vom Paradigma vorgegebenen<br />
Werte und Autoritätsstrukturen, sie betraft abweichendes Verhalten, ignoriert<br />
389 Vgl. Rosa 2003, S. 66.<br />
390 Vgl. hierzu auch Kuhn 1977, S. 389ff, und Rosa 2003, S. 55; „Struktur wissenschaftlicher<br />
Revolutionen“, „one of the most consistently influential academic works of the twentieth<br />
century“. Das Paradigmenkonzept von Kuhn wurde von Rosa übernommen und auf<br />
kulturelle, soziale und politische Realanalysen ausgedehnt. Die Möglichkeiten der<br />
Erforschung und Entwicklung kultureller Gemeinschaften auf der Grundlage des<br />
Kuhn’schen Paradigmenkonzepts blieben seiner Meinung nach bisher eher ungenutzt.<br />
218