Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
Für RECKWITZ sind es die sozialen Praktiken, in denen sich die kulturellen<br />
Codes widerspiegeln und reproduziert werden. 269 Die kognitive Verankerung<br />
von kulturellem Wissen macht erst seine sozialen und organisationalen Dimensionen<br />
erklärbar. Kulturelles Wissen lässt sich <strong>als</strong> überindividuelle Regelstruktur<br />
begreifen und wird im Handeln, in den sozialen Praktiken sichtbar.<br />
Die sozialen Praktiken können von den Handelnden nur hervorgebracht<br />
werden, wenn sie über das entsprechende gemeinsam geteilte Wissen bzgl.<br />
einer sozialen Praktik verfügen. Handlungsfähigkeit wird auch hier in Bezug<br />
zur Deutungsfähigkeit gestellt. 270<br />
Die scheinbar eigenständigen, subjektunabhängigen sozialen Tatsachen (können) nur<br />
bestehen, wenn sie in Form von Wissensstrukturen das reale Handeln der Akteure in deren<br />
‚Bewusstsein’ anleiten. 271<br />
Die beschriebene handlungsstrukturierende Wirkung der kulturellen Codes<br />
führt dennoch nicht, wie weiter vorn schon angemerkt wurde, bzw. nur im<br />
Ausnahmefall zu kongruenten Handlungen. Indem die Akteure an den sozialen<br />
Praktiken partizipieren, manifestieren sich die darin enthaltenen Wissensstrukturen<br />
oder „sinnhaften“ Regeln auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen.<br />
Im weiteren Vollzug der sozialen Praktiken tendiert einmal vermitteltes<br />
und inkorporiertes praktisches Wissen dann dazu, immer wieder eingesetzt<br />
zu werden. In den unterschiedlichen Anwendungssituationen wird das<br />
inkorporierte praktische Wissen kontextspezifisch interpretiert und infolgedessen<br />
entsteht ein Raum für innovative Momente. „Praxis bewegt sich zwischen<br />
‚Geschlossenheit’, der Wiederholung und einer relativen ‚Offenheit’“.<br />
272<br />
Die verschiedenen sozialen Praktiken verkörpern auch spezifisches praktisches<br />
Wissen und Verstehen. Jede soziale Praktik vereint bestimmte Handlungsoptionen<br />
und Bedeutungszuschreibungen, andere stehen wiederum<br />
außerhalb des Sinnhorizonts und sind somit nicht verfügbar. Einerseits sind<br />
die sozialen Praktiken in sich heute oft hoch spezialisiert, andererseits erfordern<br />
komplexe Prozesse mehr denn je, dass unterschiedliches Know-how<br />
zusammengeführt wird. So existieren soziale Praktiken in der Realität oft<br />
nicht <strong>als</strong> einzelne Praktiken nebeneinander, sondern sind vielmehr <strong>als</strong> lose<br />
Komplexe von Praktiken verbunden.<br />
Beispiele dafür lassen sich in der Zusammenstellung von interdisziplinären<br />
Wissenschafts- und Entwicklungsteams finden. Aber bereits in alltäglichen<br />
Lebenszusammenhängen oder sozialen <strong>Feld</strong>ern treffen unterschiedliche<br />
soziale Praktiken aufeinander. Wenn Praktiken miteinander verkoppelt wer-<br />
269 Vgl. Reckwitz 1997a<br />
270 Vgl. Reckwitz 1997a, S. 319ff.<br />
271 Ebenda, S. 323.<br />
272 Vgl. Reckwitz 2003, S. 301ff.<br />
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