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Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich

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Reflexives Lernen in der Erwachsenenpädagogik<br />

baren Zusammenhängen einen nicht unerheblichen Raum ein. Werden die<br />

hier dargestellten Kennzeichen der physischen Denkform auf Lernprozesse<br />

übertragen – zum Beispiel wenn Schüler die Halbleiterwiderstände verschiedener<br />

Metalle berechnen sollen –, kann nachvollzogen werden, dass die Erkenntnisbeziehung<br />

zwischen Lernenden <strong>als</strong> Erkenntnissubjekt und dem Erkenntnisobjekt<br />

(Halbleiterwiderstand) für das Ergebnis an sich keine Rolle<br />

spielt. Im Gegensatz zum Forschungsprozess, in dem dieser Widerstand erforscht<br />

werden soll und so noch nicht bekannt ist, ist das Ergebnis im schulischen<br />

Lernen bereits bekannt und soll <strong>als</strong> solches von den Lernenden nachvollzogen<br />

werden. Das „richtige Ergebnis“ wird dann zur messbaren Einheit<br />

in Lernprozessen. An ihm wird ablesbar, ob der Aneignungsprozess erfolgreich<br />

war, aber niem<strong>als</strong>, warum er erfolgreich oder nicht erfolgreich verlaufen<br />

ist. Da das Warum aber gerade für Aneignungsprozesse wichtig ist, stößt<br />

die physische Denkform bei der Gestaltung von Lernprozessen an deutliche<br />

Grenzen.<br />

Diese semantische Erkenntnisbeziehung zwischen Erkenntnissubjekt und<br />

Erkenntnisgegenstand hat für den Lernprozess maßgebliche Bedeutung. Hier<br />

kommt die Rolle der Lehrenden ins Spiel: Diese greifen die Erkenntnisbeziehung<br />

auf, ergründen Lerninteressen und das vorhandene Wissen, gestalten<br />

entsprechende Lernprozesse, didaktisieren sie, motivieren Lernende, intervenieren<br />

und kontrollieren. Als Grundlage für zu gestaltende Lernprozesse ist<br />

die physische Denkform somit ungeeignet. Ein Überschwappen dieser Denkform<br />

in die Lebensbereiche der Menschen birgt die Gefahr, dass die <strong>strukturellen</strong><br />

Beziehungen entsemantisiert, <strong>als</strong>o ihrer Bedeutung enthoben und dass<br />

Menschen wie Maschinen durch äußere Beeinflussung <strong>als</strong> steuer- und veränderbar<br />

angesehen werden. 371<br />

Die physische Denkform ist auf die Diagnostik von Fehlfunktionen und<br />

funktioneller Defizite ausgerichtet. Dieser Logik entsprechend werden Lernstörungen<br />

z. B. im neuralen Bereich identifiziert, wobei die Frage im Mittelpunkt<br />

steht, wie diese Störungen von außen behoben werden können. In der<br />

Übertragung auf Lernprozesse würde das bedeuten, dass Menschen nicht nur<br />

die Verantwortung für ihr Handeln abgesprochen wird, sie würden auch von<br />

zwischenmenschlicher Teilnahme bzw. Anteilnahme entbunden. 372 Somit<br />

wird es kritisch, wenn die physische Denkform zur Grundlage der Gestaltung<br />

und Bewertung von Lernprozessen avanciert. Ungereimtheiten werden auch<br />

dann erkennbar, wenn phänomenale Lebenszusammenhänge, z. B. das Erleben<br />

von Kompetenzentwicklung, <strong>als</strong> persönliche Bewältigung von Lebenssituationen<br />

im physischen Gegenstandsbereich bearbeitet werden. Es ist nicht<br />

verwunderlich, dass wir es dann mit Verfahren für Kompetenzmessung zu<br />

371 Vgl. König/Volmer 2000, S. 14.<br />

372 Vgl. Laucken 2003, S. 121.<br />

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