Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Wissen <strong>als</strong> Lerngegenstand<br />
die Möglichkeit, die eigenen und die damit zusammenhängenden kulturellen<br />
Erwartungen und Bedeutungszuschreibungen zu benennen, aber auch zu<br />
hinterfragen sowie in der Wahrnehmung anderer Perspektiven in eine produktive<br />
Auseinandersetzung mit ihnen treten zu können.<br />
Der Weg führt über Strukturanalysen und über Prozesse des Wahrnehmens<br />
und Vergleichens der unterschiedlichen Perspektiven, wobei implizit<br />
wirkende Strukturen über das Erzeugen von Analogien oder über szenisches<br />
Verstehen erschlossen werden können. Deren Interpretationen führen zu<br />
sinnhaft-sprachlichen Entsprechungen. Falls die bestehenden Erwartungen<br />
nicht kontrafaktisch aufrechterhalten werden müssen, werden sie auch <strong>als</strong><br />
„lernbereite Erwartungen“ bezeichnet.<br />
Die Erwartungsstrukturen sind sowohl auf einer unbewussten Ebene <strong>als</strong><br />
auch im handlungspraktischen Bewusstsein verankert, wobei sie hier nur<br />
begrenzt antizipierbar sind. Strukturelles Lernen erfolgt in offenen Suchbewegungen,<br />
in denen „Nichtwissen“ zum Ausgangspunkt wird. In den Reflexionsprozessen<br />
wird es auf eine bewusste Ebene überführt und es entsteht<br />
ihnen gegenüber ein diskursives Bewusstsein. Durch das Aufdecken der<br />
handlungsleitenden Erwartungsstrukturen können daraus resultierende Erkenntnisgrenzen<br />
wahrgenommen und ggf. auch verändert werden.<br />
Entsprechende reflexive Lernprozesse sind zirkuläre Lernprozesse, in<br />
denen die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Wissensformen<br />
und die Dualität zwischen Wissensstrukturen und Handlung wahrgenommen<br />
werden soll. Die Wissensstrukturen werden dabei zwar <strong>als</strong> determinierend,<br />
aber auch <strong>als</strong> veränderbar angenommen, dahingehend befragt, ob sie noch<br />
angemessen sind oder wie sie ggf. verändert werden können. Wird dabei<br />
sichtbar, dass die bestehenden Wissensstrukturen einer Weiterentwicklung im<br />
Wege stehen, kann das in letzter Konsequenz die Notwendigkeit eines <strong>Paradigmenwechsel</strong>s<br />
anzeigen. Im Prozess der Externalisierung werden, so<br />
SCHÄFFTER, alte Erfahrungen, die <strong>als</strong> „Wissen“ vermittelt oder angeeignet<br />
wurden, so vielfach in ihrem Sinngehalt beschädigt und <strong>als</strong> Konsequenz in<br />
ihrer Struktur tiefgreifend verändert. 326<br />
In dem <strong>als</strong> Suchprozess angelegten Erkenntnisprozess können sich neue,<br />
implizite und explizite Wissensstrukturen herausbilden, die durch andere<br />
Annahmen und Erwartungen gekennzeichnet sind. Die Veränderung von<br />
Wissensstrukturen kann die Veränderung von Selbstkonzepten nach sich<br />
ziehen und zur Entstehung anderer sozialer Praktiken beitragen.<br />
Das Verstehen der Entstehung und Aufrechterhaltung, der Zusammenhänge,<br />
der Wirkung und Entwicklung von Wissensstrukturen kann nur über<br />
reflexive Selbstaufklärung und Systemreflexion erfahrbar werden, wobei das<br />
Erkennen selbst zum empirisch zu untersuchenden Phänomen wird. Struktu-<br />
326 Vgl. ebenda, S. 161.<br />
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