Birgit Hilliger Paradigmenwechsel als Feld strukturellen ... - Budrich
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Reflexives Lernen in der Erwachsenenpädagogik<br />
leitenden Strukturen, einem Erkennen, dass diese in einem bestimmten Kontext<br />
entstanden sind, einem Infragestellen der Erwartungsstrukturen, einem<br />
Verlassen des eigenen Kosmos’ und einer Suche nach neuen Erkenntnissen,<br />
die mit der Wiedergewinnung von Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit auf<br />
der Grundlage selbstentdeckter neuer semantischer Zusammenhänge verbunden<br />
sind. Aus den Interviews mit Mitarbeitenden der Weiterbildungseinrichtungen<br />
(Kap. 2) wurde ersichtlich, dass diese zumeist äußere Problembeschreibungen<br />
geben: fehlende Finanzierung durch das Arbeitsamt, geringes<br />
Interesse der Unternehmen an Beratungsangeboten usw. Diese Beschreibungen<br />
verdeutlichen: Die Befragten benennen immer wieder äußere Bedingungen<br />
<strong>als</strong> Ursache von Problemen; die eigene Beteiligung bzw. die eigenen<br />
Erwartungsstrukturen hingegen reflektieren sie kaum.<br />
Es kann beobachtet werden, dass Menschen, aber auch Institutionen in<br />
derartigen Situationen oft defensive Routinen entwickeln, die Lernen eher<br />
verhindern. 401 Die Ablehnungswahrscheinlichkeit wurde damit begründet,<br />
dass das Infragestellen der eigenen Erwartungen und ein Einlassen auf unbekannte<br />
Wege verbunden sind mit Unsicherheiten, Orientierungslosigkeit und<br />
Ängsten, denn hier steht die Realitätssicht des alten sozialen Systems ebenso<br />
wie die Identität der eigenen Person auf dem Spiel. 402 Widerstände können<br />
sich <strong>als</strong> Ignoranz gegenüber neuen Formen äußern, <strong>als</strong> Muster des „Nicht-<br />
Lernens“ und eingeübter Inkompetenz, <strong>als</strong> ein Festhalten an alten Erwartungsstrukturen,<br />
die meist unbewusst und nicht intendiert sind, oder auch in<br />
anhand unintendierten Handlungsfolgen. In der Praxis der systemischen Therapie<br />
wird der Widerstand gegen neue Bedeutungszuschreibungen und Lösungswege<br />
auch damit begründet, dass diese mit einem Verlust an Bindung<br />
und dem Gefühl von Schuld und Verrat einhergingen: Sie werden <strong>als</strong> gefährlich<br />
erlebt, denn sie machen einsam, wogegen man in der „alten“ Sichtweise<br />
immer in guter Gesellschaft ist. 403 Zudem fehlen für deren Bearbeitung meist<br />
die notwendigen Handlungskompetenzen bzw. eine lernförderliche Kultur, in<br />
der reflexive und offene Lernprozesse unterstützt werden. Die Frage „How to<br />
prepare for the unknown?“ muss dann spezifiziert lauten: „How to prepare<br />
for the paradigm change?“<br />
Wird der <strong>Paradigmenwechsel</strong> entsprechend der Logik des <strong>strukturellen</strong><br />
Lernens aufgegriffen, müssen die genannten Widerstände in ihrer phänomenalen<br />
Struktur <strong>als</strong> strukturelle Grenzen zum Gegenstand <strong>strukturellen</strong> Lernens<br />
gemacht werden. Der Zugang gelingt über pädagogische Selbstbeschreibung,<br />
in der die Lern- und Lehrhandlungen sowie die faktischen Bedingungen<br />
der Organisation expliziert werden. Unintendierte Handlungsfol-<br />
401 Vgl. Argyris in Fatzer/Rappe-Giesecke/Looss 2002, S. 18.<br />
402 Vgl. Fried 2001, S. 80.<br />
403 Vgl. Weber 2002, S. 248.<br />
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